Es ist kurz nach zwölf Uhr mittag, gerade fuhr das Müllauto durch unsere Straße und verlud all das, was Menschen nicht mehr brauchen. Was muss es wohl für eine Stimmung in dem großen Behältnis geben, wenn ungewollte, verschlissene, unmoderne, ausgesonderte, übriggebliebene Dinge aufeinander, übereinander, nebeneinander landen.
Für gewöhnlich bin ich um diese Tageszeit nicht zu hause, ich stelle am Vorabend oder sehr früh am Morgen meinen Sperr- und Restmüll auf den Gehweg. Zu hause zu sein, wenn der Transporter auch an unserem Haus hält, heißt, von den Dingen umgeben zu sein, FÜR die man sich entschieden hat und hinunter zu blicken auf dasjenige, GEGEN das man sich entschieden hat. Zu hause zu sein, heißt, man wird Zeuge seiner Entscheidungen. An anderen Abholungstagen überlässt man die endgültige Entsorgung einem spezialisierten Unternehmen, den Fachleuten und alles ist gereinigt, wenn man abends nach hause kommt.
So sollte es sein -
und ist es bei mir nicht.
Seit Jahren entdecke ich die selben Dinge, die ich zur Entsorgung bereit gestellt hatte am Abend immer noch auf dem Gehweg. Die Gründe: Schludrigkeit oder Terminverschiebung habe ich über die lange Zeit schon ausgeschlossen. Ich weiß nicht, warum diese Dinge nicht aus meinem Leben zu werfen sind. Da ist das alte Dachskostüm, in dessen Falten ein paar Tangoklänge schwingen; da ist die leere Bushmills-Flasche, in der ein Gedicht steckt, dessen Adressaten/ Adressatin ich nie entziffern konnte; da ist das pinkfarbene Kleid, das nach Apfel duftet und in dessen Tasche u.a. zwei Briefe stecken; da ist das Handy mit dem "Alles wird gut"; da ist die Plüschratte, die nach Nordsee riecht ... diese und mehr Dinge liegen am Abend der Abholtage immer noch auf dem Gehweg. (Nicht einmal die Jäger und Sammler rühren sie an.) Was soll ich mit ihnen tun? Ich packe sie in eine Kiste, die ich in den Keller stelle. Dort steht sie. Und steht. Steht zwischen dem Karton mit Osterdekoration und dem mit Weihnachts-kugeln. Der nächste Sperrmülltermin ist im Februar ...
Yana Arlt