Dienstag, 15. August 2017

Tag der Poesie und des freien Wortes in Hoyerswerda

Freitagmorgen 9 Uhr Johanneum Hoyerswerda. Elf Dichter stehen vor der Aula, aus der Gemurmel klingt, die Sitzplätze sind bis auf die ersten Reihen besetzt, denn auf den Stühlen vor der Bühne werden die Künstler gleich Platz nehmen. Sie halten in ihren Händen Gedichte von Jurij Cezka oder eigene Verse, die sie den Schülern vorstellen werden. Einer kurzweiligen Stunde mit Worten über und von Dichtern und mit Klängen von der Oud und dem Dudelsack folgt eine detaillierte Vorstellung in kleinen Gruppen. Es geht um die Musikinstrumente, um Slawische Sprachen, um deutsch-tschechisch-sorbische Literaturbeziehungen, um Literatur aus der Lausitz oder um neue Poesie. Eine Schülerin zeigt sich anschließend aus dem Klassenzimmer kommend sehr berührt von einem slawischen Gedicht. Innerhalb kürzester Zeit erhielten die Jugendlichen viele veschiedene Informationen über die Region, in der sie leben und lernen.
Inzwischen hat es vor dem imposanten, 1995/96 neugebauten Schulgebäude begonnen zu regnen aber schnell einigen sich die Gäste aus Bautzen, Dresden, Damaskus/ Gießen, Varnsdorf und Senftenberg auf einen Ausflug in die Krabatmühle Schwarzkolm und kommen bei Kaffee und frisch gebackenem Pflaumenkuchen ins Gespräch. Jeder der Dichter hat eine wechselvolle Biographie mit Brüchen und Spannungen. Vielleicht beflügelte dies aber gerade das eigene literarische Schaffen. In der Begegnungsstätte Brigitte Reimann erwartet Helene Schmidt die kleine internationale Gruppe und weiß von einer Autorin zu berichten, die es ebenfalls immer wieder umtrieb und die über sich schrieb: "...manchmal bin ich so niedergeschlagen, dass ich den Gashahn aufdrehen möchte. Aber damit werde ich wohl doch lieber warten, bis mein neues Buch fertig ist - die Arbeit ist noch das einzige, was einem über alles hinweghilft. Wenn ich schreibe, vergesse ich alle meine Kümmernisse, bedaure weder mich noch sonst einen Menschen..."* Brigitte Reimann lebte und schrieb von 1960 - 68 in Hoyerswerda, sie starb 1973 noch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres. Während des Aufenthalts in der, der Wohnung von Brigitte Reimann nachempfundenen Räumen, kommen auch die Schwierigkeiten zur Sprache, die Künstler in der DDR erlebten. Besonders für die aus Syrien nach Deutschland geflüchteten Brüder Azzawi erschließen sich Parallelen zu ihren Erfahrungen in ihrem Heimatland.
Der Regen lässt nicht nach und begleitet die Dichter und Musiker ebenso wie die Fragen nach dem eigenen schöpferischen Werk, der Stellung des einzelnen Menschen in der Gesellschaft und nach der Freiheit des Wortes den ganzen Tag. Wo kommt man her, wie prägen einen die kulturellen Wurzel und wohin kann man noch wachsen. Die abendliche Lesung im Schloss Hoyerswerda, zu der Martin Schmidt im Namen des Kunstvereins Hoyerswerda begrüßt, gibt auch dem Publikum Gelegenheit neue Klänge zu erleben, Stimmen, Sprachen, Saitenklänge. Eindrücke und Kontakte werden sicher noch einige Zeit nachwirken.

Yana Arlt

 Foto: Sascha Klein (bearbeitet von JA)

v.li. hintere Reihe: Tomasz Nawka / Thabet Azzawi/ Dr. Abdelwahhab Azzawi/ Benedikt Dyrlich/ Martin Schmidt
v.li. vordere Reihe: Milan Hrabal/ Christiane Grosz/ Dorothea Šołćina/ Peter Huckauf/ Helene Schmidt/ Wolfgang Wache/ Yana Arlt


Verabschiedung ~ Wolfgang Wache im Gespräch mit Helene Schmidt vom Kunstverein Hoyerswerda





* "Brigitte Reimann in ihren Briefen und Tagebüchern" Verlag Neues Leben Berlin, 1983