Montag, 18. Mai 2020

Glücksmoment

Es ist warm, zu warm, gerade komme ich vom Senftenberger See, in meinem Rucksack 7,5 Kg Sand, mit dem ich das Labyrinth vor der Briesker Kirche noch einmal nachzeichnen möchte. Es sind viele Menschen am See unterwegs, zu viele. Warum tue ich mir das an? Wen interessiert denn ein Labyrinth? Werden morgen, vor dem ersten Gottesdienst seit Wochen überhaupt Besucher die Linien wahrnehmen? Ich stelle das Fahrrad in den Schatten, lasse den Rucksack von meinen Schultern plumpsen.
"Ach, das hatte ich erst vergessen!" Ein Mädchen kommt mit einer Frau, die vermutlich ihre Mutter ist, aus der Lindenstraße. Sie löst sich von der Seite der Frau, läuft zur Labyrinthmitte, in der ich einen großen und zwölf kleine blaue Steine am World Labyrinth Day vor einer Woche platziert hatte. Für einen Augenblick beugt sie sich zu den schillernden Steinen und läuft und hüpft dann wieder zur Frau, die schon ein paar Schritte weitergegangen war. "Was steht da nochmal?" Etwas müde oder gleichgültig antwortet sie: "Hoffnung".
Ich stehe wie erstarrt.
Dann öffne ich den Rucksack, nehme die erste der mit Sand gefüllten Tüten heraus, setze die Öffnung auf eine Linie und verteile vorgebeugt Schrittchen für Schrittchen den rieselnden Sand entlang der noch immer sichtbaren Labyrinthzeichnung ...

YA



Teile mit uns Deine Glücksmomente, Deine Hoffnungsmomente!
Sende deine Geschichte mit oder ohne Foto(s) für die Veröffentlichung auf dem NLZ-Blog an: 
nlz-ich-schreibe@gmx.de