Dienstag, 7. Oktober 2014

Kinder in Marga ~ Das Früher mit dem Heute vergleichen

Werter Blogleser,
gestern geschah auf den Straßen von Brieske-Marga etwas Großartiges!
Für den uneingeweihten Vorübereilenden sicher kein besonderes Ereignis, waren es doch "nur" ein paar Kinder, die als Gruppe über Schotterwege und Asphaltstraßen spazierten. Hier und da blieben sie stehen; ein Mann sprach, zeigte, gestikulierte mit Papierblättern in der Hand; die Kinder schienen interessiert, folgten dem Zeigefinger, scharten sich um die Blätter mit sepiafarbenen Bildern ...


Wolfgang Wache, Ortschronist von Brieske-Marga und Schriftsteller, war an diesem Tag aufgeregt. Das sah man ihm nicht an und es verwundert etwas, ist er doch seit Jahrzehnten mit und für Kinder unterwegs. Schon früher waren es Angebote der künstlerischen und kulturellen Bildung und immer wieder Schüler- und Fereienkindergruppen, denen er die Geschichte der Arbeiterkolonie und Gartenstadt Marga vermittelte. Was war also am gestrigen Tag anders? "Je älter ich werde, umso bewusster wird mir die Verantwortung der heutigen Großeltern- und Elterngeneration gegenüber den Jungen.", meint der 65 Jährige, "Wer neue Wege gehen und seine Gegenwart und Zukunft aktiv gestalten möchte, muss sich der alten Wege bewusst sein."
Wolfgang Wache ist nie einer von denen gewesen, die ein Loblied auf die "gute alte Zeit" singen - dazu ist sein Blick zu kritisch. "Gesellschaftsordnungen, Parteien, Kirche und Staat - das sind alles Gebilde, die aus vielen Einzelnen bestehen. Die Menschen ändern sich nicht, wer einen hinterhältigen Charakter hat und Familie und Freunde verrät, der tut es, egal in welcher Gesellschaft." Vielleicht sind diese Gedanken auch angestoßen von der persönlichen Erinnerung an die Zeit der politischen Wende vor vierundzwanzig Jahren. Wenige Tage zuvor schwangen Politiker Festreden zum "Tag der deutschen Einheit", einen Tag nach diesem Spaziergang durch Marga wäre der 65. Geburtstag der DDR gefeiert worden.
Brieske-Marga war kaum in den Grundzügen fertiggestellt, da begann der Krieg, der als 1. Weltkrieg in die Geschichte eingehen sollte; die Auswirkungen des 2. Weltkriegs bekam Wolfgang Wache als Kind zu spüren.
Wenn man an den sanierten Häusern vorüber geht, denkt man an so vieles nicht. Aber der Ortschronist hat Fotos in der Hand. Sie bezeugen die Zeit des Aufbaus. So verschieden zu den Kindern, die auf den Abbildungen zu sehen sind, sind die heutigen Mädchen und Jungen gar nicht. Mit Begeisterung stellen sie eine Szene nach und steigen mit ihrer Vorstellungskraft in das Bild hinein. Das ist Spaß und Geschichtsvermittlung in einem.
Wolfgang Wache freut sich, dass er jetzt auch solche Gruppen in die erweiterten Räume der Ortschronisten Brieske-Marga führen kann. In der "Begegnungsstätte für Ortsgeschichte und kulturelle Bildung" gibt es viel zu entdecken und zu jedem Stück könnte man seitenlange Geschichten erzählen. Aber schon ist die Zeit herum. Es bleiben noch viele Fragen. Für Wolfgang Wache steht fest: "Das Angebot ist ausbaufähig und wir müssen Lehrer und Eltern darüber informieren. Obwohl es gerade einmal 108 Jahre her ist, dass die Grube Marga erschlossen wurde und mit dem Bau der Arbeiterkolonie gegonnen wurde, steckt eine Menge Geschichte in diesem Ort.", so der Marganer, "Das sind nicht immer schöne Ereignisse und Erfolge aber aus Schwierigkeiten und in schweren Zeiten lernt man manchmal mehr und weiß dann, was man besser machen kann."

JA