Politik ist eine ernste Sache meinen Sie? Das steckt mehr dahinter als ein Handpuppenspiel?
Ich nehme die Geschicke meiner Heimatstadt sehr ernst!
Ich bin schließlich eine Leseratte und lese so ziemlich
alles, was es über Senftenberg gibt. Wichtige Quellen sind: die Internetseite
der Stadt – da sieht man, wie man es gern hätte; das Amtsblatt – da bekommt man
einen Einblick, was Demokratie anstellen kann; die örtliche Tagespresse – die
spiegelt wieder, was die Leute für frühstückstischgesprächsrelevant halten; ich
verfolge das Programm des örtlichen Fernsehkanals – da erfährt man, wer das
Sagen und/ oder das Geld hat und/ oder die richtige Nase. Oh nein, das sind
noch nicht alle Informationsbrunnen. Es geht schließlich nicht darum, einfach
den Hahn aufzudrehen und es plätschern zu lassen. Man muss sich schon mit dem
Eimer und dem Kanister auf den Weg machen und ganz höchst selbstpersönlich
schöpfen. Da ich große Lauscher habe, bekomme ich auch hervorragenstens mit,
was sich die Leute auf der Straße oder bei einer Flasche Bier so alles
zutuscheln – immens wichtig, so eine Datenbank, kann man gar nicht oft genug
anzapfen! Neben vielem Blödsinn gibt’s da ab und zu sogar kleine Goldnuggets zu
schürfen.
Naja, was nun den Bürgermeisterposten angeht, so habe ich
mir lange genug das Schauspiel mit der Setzung von Prioritäten angeguckt. Es
ist ein bisschen wie „Brot und Spiele für die Menschen“ – funktioniert ja auch
meist (ohne, dass ich hier das Spektakel mit der Fußball-WM oder das
Senftenberger Hafenfest aufs Spielfeld schmeiße). Selbst so ein Wahlkampf ist
irgendwie ein großes Spiel. Könnte mir Spaß machen – oder eben gar nicht.
Schauen Sie sich das mal an: „Neun strategische Bausteine für erfolgreiche
Kommunalwahlkämpfe //Baustein 1: Marketing - Die Bilanz, Die Analyse, Die Strategie,
Die Konzeption, Die Botschaft, Die Vision / Baustein 2: Timing/ Baustein 3:
Profiling/ Baustein 4: Branding/ Baustein 5: Networking/ Baustein 6: Posting/ Baustein
7: Canvassing/ Baustein 8: Mailings/ Baustein 9: Sponsoring“ da lasse ich mir
doch lieber erklären, was ein „Abseits“ ist. Aber da Ratten nun mal unglaublich
kluge Tiere sind, spielen sie keinen Fußball. So sieht’s aus! Aber was macht
dann eine so uuuuuuunglaublich intelligente Ratte wie ich? Wenn ich ganz
ehrlich bin, würde ich den Wahlkampf ja larifariratzfatz gewinnen, weil ich nun
mal ein außerordentlicher Sympathieträger bin. Wer kann mir denn widerstehen,
wenn ich höchstklug über meinen Brillenrand schaue? Da hat doch kein anderer
Kandidat wirklich eine Chance. Und überhaupt, worüber soll ich denn schimpfen,
wenn es dann heißt: Na Raz, du bist doch der Bürgermeister, du musst das jetzt
regeln. Man wird ja förmlich zum Sklaven der erschröklich banalen
Empfindlichkeiten der Bürgerinnen und Bürger. Und was das Schlimmste ist, die
Käsehäppchen bei diversen Empfängen würden mir ja noch gefallen aber bei den
vielen Terminen hätte ich ja kaum eine ruhige Stunde für die Lektüre in meinem
Bücherregal. Demnächst gibt es im NLZ nämlich eine Schreibwerkstatt und ich
hätte gar keine Zeit mich mitradeln zu lassen oder an dem Buch der Bücherkinder
mitzuarbeiten. Lassen sie sich mal dieses Zitat von John Adams auf der Zunge
zergehen: „Ich muss Politik und Krieg studieren, damit
meine Söhne die Freiheit haben, Mathematik und Philosophie zu studieren. Meine
Söhne sollten Mathematik und Philosophie studieren, außerdem Geographie,
Naturgeschichte, Schiffbau, Navigation, Handel und Landwirtschaft, damit sie
ihren Kindern das Recht geben, Malerei, Poesie, Musik, Architektur, Dekoration
und Porzellan zu studieren.“ Irgendwo da hinten kommt mal die Poesie. Das ist
doch nicht zu glauben, da sind ja inzwischen ein paar amusische Generationen
durchs Land gegeistert. Ist ja jetzt schon so schlimm, da gurgelt das Kind
schon im Brunnenwasser und die Politiker stehen oben und debattieren über die
Farbe von Adlergefieder oder schieben eine Runde „Schwarzer Peter“ zum Thema:
Verkehr in der Innenstadt. Die Bausteine aus dem Kommunalwahlkampf sollte man
mal lieber zum Bau von Kultur- und Bildungseinrichtungen nutzen statt damit
Waldwege zu pflastern. Ach, ich schreibe mich in Rage. Dabei wollte ich doch
einfach nur mal sagen: Ich kandidiere in diesem Jahr NICHT für den
Bürgermeisterposten!
Hochachtungsgeehrtest RAZ