Der 2. Juni, also genau der heutige
Tag, ist Welthurentag. Und das weiß ich vom ARD-Videotext Seite 406
Unterseite 3/3. Dieser Begriff sorgte bei mir erst einmal für
hochgezogene Augenbrauen. Ich kenne den Welttag des Buches, den
Welttag der Poesie, den Welttag des Labyrinths, den Welttag des
Bieres – der übrigens der selbe ist wie der Welttag des Buches...
bei all den einer Sache besonders gewidmeten Tagen geht es eben genau
darum: Lest wieder mehr Bücher! Entdeckt die Schönheit von Poesie!
Durchlauft ein Labyrinth und erfahrt die Kraft dieses uralten
Symbols! Wertschätzt das Gebräu aus Gerstenmalz, Hopfen und Wasser!
Wie ist das nun also mit dem Welthurentag? Den Begriff „Hure“
kenne ich zumeist als Schimpfwort, als Beleidigung. Auf der Seite
dwds.de ist zu lesen:
„2.
[derb, Schimpfwort] …
a)
[verächtlich] sexuell aktive oder als sexuell leichtfertig
angesehene Frau
b) [Schimpfwort] sexualisiertes Schimpfwort für
eine Frau
c) [historisch] weibliche Person, die durch
außerehelichen Geschlechtsverkehr (oft auch durch den damit
verbundenen Verlust der Jungfräulichkeit) ihr gesellschaftliches
Ansehen verloren hat
3. [übertragen, abwertend] Person oder
Sache, die sich (gegen Geld) für einen moralisch verwerflichen Zweck
hergibt
Ursprünglich auch als neutrale Bezeichnung verwendet,
wurde der Begriff lange Zeit im Unterschied zu Prostituierte meist
abwertend, diskriminierend verwendet. Seit den 80er Jahren des 20.
Jahrhunderts wird der Begriff auch als Selbstbezeichnung von
Prostituierten verwendet und hat in der Folge neutraleren Charakter
angenommen.“
Dementsprechend gilt auch diese
Bedeutung:
„1.
[oft abwertend] Synonym zu Prostituierte, Nutte
(1)
a) ⟨eine heilige Hure⟩
b) [bildungssprachlich,
metonymisch, abwertend] ⟨die Hure Babylon⟩, ⟨die babylonische
Hure⟩“
Recherchiert man im Internet zu diesem Tag,
findet man die einleuchtende Bezeichnung: „International Sex
Workers' Day/ Internationaler Tag der Sexarbeiter*innen“. Es geht
um Respekt und Rechte. Welches Gedankenkarussel drehte sich in deinem
Kopf, als du die ersten Sätze gelesen hast? Aber der Begriff der
Sexarbeit ist viel umfänglicher: „Auch wenn
Sexarbeit kein Beruf wie jeder andere ist, sind die Menschen, die
sexuelle Dienstleistungen anbieten oder in Anspruch nehmen, Teil
unserer Gesellschaft. [...] Hierzu gehören Männer die Sex für
Männer anbieten (MSM), Trans*sexarbeiterinnen und Frauen. Etwa ein
Drittel davon sind reisende Dienst-leister*innen, der Rest lebt hier
mitten unter uns“, „Der Welthurentag steht weltweit für den
Kampf um Anerkennung von Sexarbeit, gegen Diskriminierung,
Stigmatisierung und Entmündigung von Sexarbeiter*innen“ ,
schreiben die Seitengestalter vom „Stark machen – Gemeinsam für
ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben e.V.“ auf ihrer
Website.
Lust auf _ _ _ _ _ Lust auf mehr Informationen?
In der
„Schriftenreihe Bachelor- und Masterthesen der Berner
Fachhochschule – Soziale Arbeit“ setzen sich Mirjam Kläntschi
und Sarah Opprecht mit dem „Stigma
Sexarbeit“ auseinander. Auch wenn man die 84 Seiten nicht im
Detail liest und erfasst, erfährt man eine aufschlussreiche
Betrachtung des Themas und es werden Fragen gestellt, auf die man
auch nicht einfach so kommt. Neben den Sexarbeiterinnen selbst wird
auch ein Blick auf die Freier und die Geschäftsführer geworfen.
„Sexarbeit gibt es seit mehreren
Jahrtausend (Krumm, 2014, S. 34). Oft wird sie sogar als ältestes Gewerbe der Welt
betitelt (Macioti, 2014, S. 1). Umso bemerkenswerter scheint es, dass
sich bis heute bei
Diskussionen um Sexarbeit die Gemüter erhitzen und sich
Gruppierungen von Feministinnen
oder politischen Gremien spalten. Grund dafür ist, dass die Thematik
der Sexarbeit heikle
Themen wie Machtverhältnisse, gesellschaftliche Konflikte,
ökonomische und Geschlechterverhältnisse,
Sexualität, Migration und Rassismus auf komplexe Art berührt (Macioti, 2014,
S. 1). Sexarbeit ist
heute meist eine legale Tätigkeit. In der Gesellschaft wird
Sexarbeit jedoch ausgegrenzt und
ist wenig anerkannt (Löw & Ruhne, 2011, S. 193). Das heisst,
Sexarbeit und Sexarbeiterinnen
werden faktisch akzeptiert, aber moralisch verurteilt (Schuster,
2003, S. 51). In den Köpfen der
Menschen ruft der Begriff Sexarbeit oftmals negative Bilder hervor,
die jedoch wenig mit der
Realität zu tun haben. Die Bilder sind nicht nur negativ konnotiert,
sondern oft auch abwertend
(Löw & Ruhne, 2011, S. 278). Diese Negativbewertung von
Sexarbeit und den Ausübenden führt
zu stigmatisierungen, welche für die Sexarbeiterinnen äusserst
belastend sind (Löw &
Ruhne, 2011; S. 278, Bingham, Holroyd & Wong, 2011, S. 55;
Groves, Newton, Chen, Hocking, Bradshaw
& Fairley, 2008, S. 393; Gray, Holroyd, Ling & Wong, 2008, S.
932ff)“
Im Jahr 2025 gibt es den „Welthurentag“
bereits 50 Jahre. Ja, es ist immer noch notwendig auf Diskriminierung
und Stigmatisierung hinzuweisen, wie es die 100 Sexarbeitenden am 2.
Juni 1975 in Lyon taten, als sie die Kirche Saint-Nizir besetzten, um
auf die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen in der Sexarbeit
aufmerksam zu machen.
Yana Arlt
Stefan
Reschke
Wieder
(2010)
Es
war so unbeschreiblich,
die tiefe Innigkeit,
denn ich trank
jeden Tropfen
von deiner Weiblichkeit.
Wir trieben auf den
Wogen
im Liebeselixier,
vereint in tausend Küssen.
ICH –
DU nur noch ein WIR.
Umschlungen und ermattet
verträumt
der Rest der Nacht.
Bis dann dein Blick am Morgen
all das
zunichte macht.
Denn tief in deinen Augen
verrät derselbe
Schein,
nie wird das, was geschehen,
jemals aus Liebe
sein.
Ich könnt’ vor Schmerz zerreißen,
als du dich von
mir drehst,
denn wieder, statt zu bleiben,
nimmst
du das Geld und gehst.
aus
„Almanach 2019“
des „Autorenkreis Kornblume“