Montag, 2. Juni 2025

Inspirieren lassen ~ gewaltfreies selbstbestimmtes Leben

 

Der 2. Juni, also genau der heutige Tag, ist Welthurentag. Und das weiß ich vom ARD-Videotext Seite 406 Unterseite 3/3. Dieser Begriff sorgte bei mir erst einmal für hochgezogene Augenbrauen. Ich kenne den Welttag des Buches, den Welttag der Poesie, den Welttag des Labyrinths, den Welttag des Bieres – der übrigens der selbe ist wie der Welttag des Buches... bei all den einer Sache besonders gewidmeten Tagen geht es eben genau darum: Lest wieder mehr Bücher! Entdeckt die Schönheit von Poesie! Durchlauft ein Labyrinth und erfahrt die Kraft dieses uralten Symbols! Wertschätzt das Gebräu aus Gerstenmalz, Hopfen und Wasser! Wie ist das nun also mit dem Welthurentag? Den Begriff „Hure“ kenne ich zumeist als Schimpfwort, als Beleidigung. Auf der Seite dwds.de ist zu lesen:
„2. [derb, Schimpfwort] …
a) [verächtlich] sexuell aktive oder als sexuell leichtfertig angesehene Frau
b) [Schimpfwort] sexualisiertes Schimpfwort für eine Frau
c) [historisch] weibliche Person, die durch außerehelichen Geschlechtsverkehr (oft auch durch den damit verbundenen Verlust der Jungfräulichkeit) ihr gesellschaftliches Ansehen verloren hat
3. [übertragen, abwertend] Person oder Sache, die sich (gegen Geld) für einen moralisch verwerflichen Zweck hergibt
Ursprünglich auch als neutrale Bezeichnung verwendet, wurde der Begriff lange Zeit im Unterschied zu Prostituierte meist abwertend, diskriminierend verwendet. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wird der Begriff auch als Selbstbezeichnung von Prostituierten verwendet und hat in der Folge neutraleren Charakter angenommen.“

Dementsprechend gilt auch diese Bedeutung:
1. [oft abwertend] Synonym zu Prostituierte, Nutte (1)
a) ⟨eine heilige Hure⟩
b) [bildungssprachlich, metonymisch, abwertend] ⟨die Hure Babylon⟩, ⟨die babylonische Hure⟩“

Recherchiert man im Internet zu diesem Tag, findet man die einleuchtende Bezeichnung: „International Sex Workers' Day/ Internationaler Tag der Sexarbeiter*innen“. Es geht um Respekt und Rechte. Welches Gedankenkarussel drehte sich in deinem Kopf, als du die ersten Sätze gelesen hast? Aber der Begriff der Sexarbeit ist viel umfänglicher: „Auch wenn Sexarbeit kein Beruf wie jeder andere ist, sind die Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten oder in Anspruch nehmen, Teil unserer Gesellschaft. [...] Hierzu gehören Männer die Sex für Männer anbieten (MSM), Trans*sexarbeiterinnen und Frauen. Etwa ein Drittel davon sind reisende Dienst-leister*innen, der Rest lebt hier mitten unter uns“, „Der Welthurentag steht weltweit für den Kampf um Anerkennung von Sexarbeit, gegen Diskriminierung, Stigmatisierung und Entmündigung von Sexarbeiter*innen“ , schreiben die Seitengestalter vom „Stark machen – Gemeinsam für ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben e.V.“ auf ihrer Website.
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In der „Schriftenreihe Bachelor- und Masterthesen der Berner Fachhochschule – Soziale Arbeit“ setzen sich Mirjam Kläntschi und Sarah Opprecht mit dem „Stigma Sexarbeit“ auseinander. Auch wenn man die 84 Seiten nicht im Detail liest und erfasst, erfährt man eine aufschlussreiche Betrachtung des Themas und es werden Fragen gestellt, auf die man auch nicht einfach so kommt. Neben den Sexarbeiterinnen selbst wird auch ein Blick auf die Freier und die Geschäftsführer geworfen.
Sexarbeit gibt es seit mehreren Jahrtausend (Krumm, 2014, S. 34). Oft wird sie sogar als ältestes 
Gewerbe der Welt betitelt (Macioti, 2014, S. 1). Umso bemerkenswerter scheint es, dass sich bis heute bei Diskussionen um Sexarbeit die Gemüter erhitzen und sich Gruppierungen von Feministinnen oder politischen Gremien spalten. Grund dafür ist, dass die Thematik der Sexarbeit heikle Themen wie Machtverhältnisse, gesellschaftliche Konflikte, ökonomische und Geschlechterverhältnisse, Sexualität, Migration und Rassismus auf komplexe Art berührt (Macioti, 2014, S. 1). Sexarbeit ist heute meist eine legale Tätigkeit. In der Gesellschaft wird Sexarbeit jedoch ausgegrenzt und ist wenig anerkannt (Löw & Ruhne, 2011, S. 193). Das heisst, Sexarbeit und Sexarbeiterinnen werden faktisch akzeptiert, aber moralisch verurteilt (Schuster, 2003, S. 51). In den Köpfen der Menschen ruft der Begriff Sexarbeit oftmals negative Bilder hervor, die jedoch wenig mit der Realität zu tun haben. Die Bilder sind nicht nur negativ konnotiert, sondern oft auch abwertend (Löw & Ruhne, 2011, S. 278). Diese Negativbewertung von Sexarbeit und den Ausübenden führt zu stigmatisierungen, welche für die Sexarbeiterinnen äusserst belastend sind (Löw & Ruhne, 2011; S. 278, Bingham, Holroyd & Wong, 2011, S. 55; Groves, Newton, Chen, Hocking, Bradshaw & Fairley, 2008, S. 393; Gray, Holroyd, Ling & Wong, 2008, S. 932ff)
Im Jahr 2025 gibt es den „Welthurentag“ bereits 50 Jahre. Ja, es ist immer noch notwendig auf Diskriminierung und Stigmatisierung hinzuweisen, wie es die 100 Sexarbeitenden am 2. Juni 1975 in Lyon taten, als sie die Kirche Saint-Nizir besetzten, um auf die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen in der Sexarbeit aufmerksam zu machen.

Yana Arlt


Stefan Reschke

Wieder (2010)

Es war so unbeschreiblich,
die tiefe Innigkeit,
denn ich trank jeden Tropfen
von deiner Weiblichkeit.

Wir trieben auf den Wogen
im Liebeselixier,
vereint in tausend Küssen.
ICH – DU nur noch ein WIR.

Umschlungen und ermattet
verträumt der Rest der Nacht.
Bis dann dein Blick am Morgen
all das zunichte macht.

Denn tief in deinen Augen
verrät derselbe Schein,
nie wird das, was geschehen,
jemals aus Liebe sein.

Ich könnt’ vor Schmerz zerreißen,
als du dich von mir drehst,
denn wieder, statt zu bleiben,
nimmst du das Geld und gehst.


aus „Almanach 2019“ 
des „Autorenkreis Kornblume“