„Kunst ist schön, macht aber viel
Arbeit“, sagte einst Karl Valentin, Komiker, Volkssänger, Autor
und Filmproduzent aus München, der im Juni 1882 geboren wurde, und
er hat Recht. Wie viel Arbeit es macht, erlebten wir beim Ersten Lausitzer Lyrikfest, das am 15. und 16. Juni 2013 in Brieske-Marga
stattfand.
Zwölf Jahre später, der 15. Juni 2025 ist ein heißer
Tag, in Brieske-Marga sind es 33°C, die auf das Pflaster des
Margahofes knallen. Im MARGA-Atelier ist es etwas(!) kühler. Dort
haben sich nach 2 intensiven Werkstatttagen die KünstlerInnen
versammelt und Wolfgang Wache (Vereinsvorsitzender „Ich schreibe!“)
und Ingo Cesaro („Setz- und Druckwerkstatt wie zu Gutenbergs
Zeiten“) machen Vorschläge für die Abschlusspräsentation, die
auch die Buchpremiere der handgedruckten, handgebundenen Edition
„Haiku gefunden“ ist, um 15 Uhr. Der Plan der Errichtung des
Sternzeltes auf dem Briesker Marktplatz wird verworfen – es ist zu
warm, zu windig, in der Galerie MARGA ist es noch auszuhalten. In der
Regionalpresse sind das Kunstpleinair und die Lesung am
Sonntagnachmittag angekündigt gewesen und viele Kunstinteressierte
nahmen die Einladung wahr, den Kreativen über die Schulter zu
schauen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Blei- und
Kunststofflettern, die Druckerpresse und die Leinen zum Trocknen der
bedruckten Seiten wurden in der Galerie MARGA bereitgestellt.
Genügend Freiluft gab es dennoch beim Pleinair [aus: plein (<
lateinisch plenus = voll) und air < lateinisch aer = Luft], denn
inspirierende Spaziergänge durch die Gartenstadt und ehemalige
Bergarbeiterkolonie, das Schreiben und Zeichnen auf dem Margahof, die
Mahlzeiten vor dem Ateliereingang fanden alle unter freiem Himmel
statt. Für mich besonders genussvoll war der gemeinsame schweigende
Spaziergang. Ich erzähle gern von Marga, von unserem Verein, von
meiner künstlerischen Arbeit – das kann aber schnell zuviel
werden, wenn man vor lauter Erzählen gar nicht mehr zum Arbeiten,
also zum Schreiben, Zeichnen, Schneiden kommt. Ich stellte fest: beim
gemeinsamen Schweigen erfährt man zuweilen mehr über den anderen
als in einem Gespräch und man hat mehr Freiraum, um auch an einer
Rosenblüte zu schnuppern, leere Schneckenhäuser auf dem Weg zu
entdecken, das Schlagen der Kirchturmuhr wahrzunehmen. Ingo Cesaro
regte an, 10 Minuten auf stille Entdeckungstour zu gehen – es
wurden 20 Minuten und wie von Zauberhand suchte sich jeder nach der
Rückkehr ein ruhiges Plätzchen, um all die Haiku niederzuschreiben,
die sich plötzlich in seinem Kopf angesammelt hatten. Bewusstes
Schweigen ist also eine wahre Schatzsuche, das wird dann auch dem
Motto der Kunstwerkstatt gerecht „Künstlerisch – literarische
Schatzsuche in der Lausitz“. Was auf diesem Spaziergang entdeckt
wurde, konnte man in großer Runde vorstellen, emsig wurden die
Silben mitgezählt – nein, hier sind 2 Silben zu viel, in der 1.
Zeile fehlt eine Silbe, wie kann ich ein Stück Ortsgeschichte in 17
Silben erzählen, habt ihr eine Idee für ein passenderes Wort? Das
Denken und Dichten in Kürzestform verfolgt manchen Teilnehmenden bis
in die Träume. Es gibt in der Dichterriege viele, die meinen, dass
sie schon alles wüssten und könnten, bei dieser Werkstatt erleben
wir uns alle als „Frischlinge“. Während des Wochenendes gehen
wir respektvoll miteinander um, die gemeinsame Anstrengung gilt dem
fertigen Kunstbuch, das in 51 Stunden vom ersten Treffen der
WerkstattteilnehmerInnen bis zur fertigen Edition geschafft werden
muss und irgendwann braucht der Mensch auch Schlaf. Sonntagnachmittag
15 Uhr, ich bin ein bisschen aufgeregt, ich lese 3 Haiku von denen,
die in den vergangenen Stunden in meinem Heft entstanden sind und
erhalte ein Buch. „Haiku gefunden“ - man kann es nachzählen, der
Titel besteht aus 5 Silben, enthält 12 Kurzgedichte, eines davon
noch einmal in kaligrafischer Ausführung und 2 Linoldrucke. Ich
werde es am Abend, erschöpft und inspiriert von der Werkstattzeit,
oft in die Hand nehmen. Ja: „Kunst ist schön, macht aber viel
Arbeit.“ Am Abend des 15. Juni 2025 spüre ich es in den Schultern
und den Füßen, am Abend des 15. Juni 2013 erging es mir ähnlich,
als ich vom ersten Tag des Lausitzer Lyrikfestes nach hause kam. Ein
Jahr später verlegten wir das Lyrikwochenende in den September und
nannten es 2014 das erste Mal „Lausitzer Lyrikfestival“. Die
Einladung für das 13. Lausitzer Lyrikfestival vom 5. bis 7.
September 2025 sprach Wolfgang Wache bei der Verabschiedung am
Sonntagnachmittag aus. Werden wir uns mit der Parole „Haiku
gefunden“ begrüßen?
Yana Arlt
Ein heißer Earl Grey
Mauersegler im Hellblau
Lindenwind im Haar
Yana Arlt, 15. Juni 2025
auf dem Margahof in Brieske geschrieben
Ab Dienstag, 17. Juni, gibt es
hier auf dem NLZ-Blog
Fotos vom Kunstpleinair
😊📷