Montag, 24. Februar 2025

Inspirieren lassen ~ Amtsantritt Albinus Lenz

 

So, da bin ich. Lenz mein Name, Albinus Lenz. Habe Ihnen einen Strauß Schneeglöckchen mitgebracht. Wie meinen Sie, mein Arbeitsbeginn ist am 1. März? Aber meine Herrschaften, das ist doch reichlich spät. Wie bitte, Sie sagen, ich könnte auch am 20. März 2025 anfangen? Um 10 Uhr 01? Wäre mir recht, dieser Arbeitszeitbeginn. Können wir so machen. Da gibt es nur ein Problem, in reichlich 3 Wochen wird es keine Schneeglöckchen mehr geben. Das ist nicht notwendig? Nun, Sie können mir glauben, ich bin Fachmann, diese Phase des Arbeitsprozeses nennt man „Vorfrühling“. Ach, Sie denken, die Zeit der Konzeption, Planung und Organisation, die Zeit VOR der eigentlichen Ausführung wird nicht bezahlt. Unbezahlte Probezeit? Moment, Sie sehen hier die Schneeglöckchen in meiner Hand, nicht wahr, diese ersten Frühblüher läuten die phänologische Jahreszeit des Vorfrühlings ein. Basta! Mit den Forsythien und frühen Kirschen führen wir das Projekt mit dem „Erstfrühling“ fort. Die finale Phase „Vollfrühling“ wird mit der Apfelblüte eingeläutet. Ja, ich kenne den Gregorianischen Kalender. Kennen Sie eigentlich den Jeck Ugo Boncombagni alias Gregor XII? Jurist war er, Rechtsprofessor, war vernarrt in die Wissenschaft. Von Reformen der Kirche hielt er gar nix und klatschte noch zu der Bluttat in der Bartholomäusnacht, in der 1572 Hunderte Hugenotten, also Protestanten nur aufgrund ihres Glaubens ermordet wurden! Im Julianischen Kalender entstanden Unstimmigkeiten – ich erspare Ihnen jetzt Details – nichts hat mehr gestimmt. Am Ende des Kalenders war noch so viel Jahr übrig. Da musste etwas getan werden, also strich man den 5. bis 14. Oktober im Jahre 1582. Wissen Sie bei all dem, was sich die Menschen ausdenken, um genaue Daten festzulegen, um sich dann auch noch weltweit auf einen einheitlichen Kalender zu einigen, da habe ich Schneeglöcken, Forsythien und Apfelbäume blühen lassen und habe nie dazu ein paar Zahlen, gekritzelt und gedruckt auf Papier oder eingespeichert in Computern und Tablets gebraucht. Ich brauche keine Tinte, kein Papier, kein Zinn, Eisen, Kupfer, Tantal, Aluminium, Kobalt, Gold, Glas, Lithium, Graphit... wozu die Aufzählung der Materialien? Das sind die Bestandteile eines Mobiltelefons, das viele Menschen als Notizbuch und Timeplaner nutzen - meine Güte, ich bin hier wirklich falsch. Timeplaner, schon der Begriff ist surreal – die Zeit planen... wie grotesk. Da können wir ja gleich noch über Sommerzeit und Winterzeit debattieren. Ne, lassen Sie mal, ich nehme meinen Schneeglöckchenstrauß und lege die 12 Blüten wie ein Ziffernblatt auf die Scheibe, die übrig geblieben ist von der Linde, die vor einigen Wochen in der Nähe des Flusses abgesägt wurde. Ein Herz aus Holz, ein Herz aus Schnee... so sieht der Rest des Baumes aus, der für Liebe, Harmonie und Schutz steht. Dort, auf dem Damm der Schwarzen Elster gibt es weiße Flecken im Vorfrühling, weiß von hunderten weißen Blüten. Wissen Sie, wie alt Linden werden können...

Yana Arlt

Die Linde

Annette von Droste-Hülshoff

»Ich breite über ihn mein Blätterdach,
So weit ich es vom Ufer strecken mag.
Schau her, wie langaus meine Arme reichen,
Ihm mit den Fächern das Gewürm zu scheuchen,
Das hundertfarbig zittert in der Luft.
Ich hauch′ ihm meines Odems besten Duft,
Und auf sein Lager lass′ ich niederfallen
Die lieblichste von meinen Blüten allen;
Und eine Bank lehnt sich an meinen Stamm,
Da schaut ein Dichter von dem Uferdamm,
Den hör′ ich flüstern wunderliche Weise
Von mir und dir und der Libell′ so leise,
Daß er den frommen Schläfer nicht geweckt;
Sonst wahrlich hätt′ die Raupe ihn erschreckt,
Die ich geschleudert aus dem Blätterhag.
Wie grell die Sonne blitzt! schwül wird der Tag.
O könnt′ ich, könnt′ ich meine Wurzeln strecken
Recht mitten in das tief kristall′ne Becken,
Den Fäden gleich, die, grünlicher Asbest,
Schaun so behaglich aus dem Wassernest,
Wie mir zum Hohne, die im Sonnenbrande
Hier einsam niederlechzt vom Uferrande.«