Mittwoch, 17. Mai 2017

Wochenthemaankündigungstext ~ mal öffentlich

Werter Blogleser,

jeden Montag sitze ich an der Tastatur und schreibe einen Ankündigungstext für das aktuelle Wochenthema. Manchmal weiß ich sehr genau welches Thema es sein soll, manchmal verwende ich Wünsche und Hinweise anderer Wochenthematextschreiber, manchmal ergibt sich das Thema aus dem Ankündigungstext.
Auch wenn du vielleicht nicht selbst ein Schreibender bist und dir nie in den Sinn käme, zu einem vorgegebenen Thema ein Gedicht oder eine Geschichte zu schreiben, möchte ich dir heute auf diesem Weg meine Montagsgedanken zum Beginn der 20. Kalenderwoche 2017 mitteilen:

____Wochenthemaankündigungstext 20 KW 17_______



Ein Maitag ist ein kategorischer Imperativ der Freude.

Friedrich Hebbel

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Werte Wochenthemler,

man geht nicht rein – Mann geht nicht rein in den Raum, an dessen Fenstern Kunst steht – Frau geht auch nicht – sie bringen auch die Kinder nicht in den Raum, an dessen Fenster Kunst steht. Niemand verbietet es ihnen. Niemand rät ihnen davon ab. Sie gehen einfach nicht hinein. Sie trauen sich nicht? Sie nehmen den Raum nicht wahr. Er passt nicht in ihr Seh- und Hörschema. Er ist dafür zu klein oder zu groß oder zu absurd. Sie haben gelernt so zu sehen wie sie sehen. Auch das Hören haben sie anerzogen bekommen und es täglich angewendet. Kannst du was sehen?, fragt der eine den anderen, der den Hals streckt für einen Zipfel des Ungesehenen, Unerhörten. Das ist Kunst!, sagt der Vater zu seinem Kind und tippt an die Scheibe und zeigt auf ein Bild, eine Figur im Raum. Tippt an die Scheibe, an der Kunst steht. Sie gehen nicht rein – der eine nicht und nicht der andere, der Vater nicht und nicht sein Kind. ~ ~ ~ ~ ~ ~ Ich fuhr vor Jahren nach Chemnitz – wegen Munch. Ich fuhr nach Frankfurt/ Oder – wegen Goya. Ich fuhr nach Cottbus – wegen Goya. Ich fuhr nach Berlin – wegen Christo. Ich fuhr nach Straßburg – wegen Ungerer. Irgendwann werde ich schreiben können: ich fuhr nach Worpswede – wegen Modersohn-Becker, ich fuhr nach Nogent-sur-Seine wegen Claudel, ich fuhr nach Paris – wegen Rodin, ich fuhr nach Coyoacán – wegen Kahlo, ich fuhr nach Werder (Havel) – wegen Morgenstern, ich fuhr nach Rodmell – wegen Woolf... ich kam viel herum, besuchte Vertraute, denen ich nicht wagte, meine Freundschaft anzubieten. Mein kleines Ich siezt sie. Vertraut ist nicht vertraulich. Ich sehe und höre. Ich habe nichts zu zeigen und nichts zu sagen. Ich sehe und höre. Von wem habe ich das gelernt? Diese Art zu sehen und zu hören. Vielleicht ging ich an der offen stehenden Tür nicht nur vorbei. Vielleicht zog mich etwas in diesen Raum, an dessen Scheiben Kunst steht und ich spürte den Sog, der ein ganz feiner ist, den man leicht abzupfen kann, wie eine Klettenfrucht. Der Mann und die Frau gehen nicht an Bächen entlang und über Wiesen, gehen nicht mit ihren Kindern dort entlang, wo Kletten stehen, damit ihnen an den Kleidern keine widerhakigen Kugeln haften bleiben. Ich folgte dem leisen Plätschern, genoss die kühle Luft an überdrehten, überhitzten Tagen. Ich kriege die Kletten nicht mehr aus meiner Hose, aus meinem bequemen Kleid, aus meiner Lieblingsjacke.

Wochenthema 20 kw 17
15. bis 21.Mai 2017
 
Verlet-ZUNGEN

YA