Montag, 28. April 2025

Inspirieren lassen ~ Kröten

 

Ein absoluter Glücksmoment! Eine Kröte in meinem Garten! Wie wunderschön sie ist, erdbraun mit samtiger Haut. Das wäre für sie fast auch zum Verhängnis geworden. Ich hatte einige Zeit einen Kübel im Garten auf dem Beet stehen, nun wurde es aber Zeit, ihn wegzunehmen, etwas von der Erde darunter auszuheben, um ihn dann wieder einzusetzen, mit Reisig, Grasschnitt und Erde zu befüllen und zu bepflanzen. Gesagt, getan – Kübel weg, Schippe in die Erde und Häufchen für Häufchen die Erde in den bereit stehenden Eimer, hier und da mit Wucht und Kraft das Blatt hineinschlagen in die harte Erde. Doch halt! Was aussieht wie ein Erdklumpen, atmet und schaut mich an... eine Kröte! Schreck! Habe ich sie verletzt in meinem Eifer? Geht es ihr gut? Wohin mit ihr, damit sie geschützt ist, auch damit ich weiterarbeiten kann. Wohin? Wohin? Wohin? Ah, das ist ein guter Platz, unter die aufgehäuften Pflanzenreste des Vorjahres, die ich eben für solcherlei kleines Getier erst einmal auf den Beeten als Schutz- und Ruheraum liegen lassen wollte. Sie scheint unverletzt zu sein, krabbelt über die trockenen, teils modrigen Stängel. Einige Minuten später schaue ich sicherheitshalber nochmal nach, sehr diskret. Ich bin wirklich glücklich, dass sich Vier-, Sechs-, Achtbeiner, Geflügelte, Summende, Trällernde, Schniefende, Glucksende … in meinem Garten wohlfühlen. Selbst bei Schnecken bin ich bis zu einem gewissen Grad tolerant. Ich denke an so manchen Zeitgenossen, der bei einer Wespe wild herumfuchtelt, bei einer Spinne das große Rennen bekommt, der Mäuse kreischend begrüßt und bei einer Eidechse oder Kröte die Nase rümpft, wie dereinst die Prinzessin bei der Konfrontation mit dem hoheitlichen Frosch. Derlei Getier hat nicht den besten Ruf, wird gar als Ingredienz für Hexensuppen aufgelistet. Kennt ihr das vergleichsweise harmlose Volkslied „Morgens früh um sechs“? Als Kind habe ich diese Verse geliebt. „Morgens früh um sechs/ Kommt die kleine Hex' // […] // Feuert an um elf / Kocht dann bis um zwölf // Fröschebein und Krebs und Fisch / Hurtig Kinder, kommt zu Tisch.das ganze Gedicht HIER Im Judentum gelten Krebse als nicht koscher. „Für den Verzehr von Fischen gilt nach den Regeln der Kaschrut, also den jüdischen Speisegesetzen, dass alle Süß- und Salzwasserfische koscher sind, sofern sie über Schuppen und Flossen verfügen Diese Bedingung erfüllen bspw. Hering, Lachs, Tunfisch, Hecht oder auch Karpfen. Aal, Wels und Hai hingegen erfüllen diese Bedingung nicht. Zudem sind Meeresfrüchte wie Krebse, Schalentiere, Krabben und alle Meeressäugetiere wie der Wal ebenfalls nicht koscher.“ (Textquelle: jmberlin) In früheren Zeiten waren Hummer, (Fluss)Krebs und Austern besonders in Küstenregionen ein Armeleuteessen und wurden auch gern an Fastentagen, an denen Fleisch, Wurst und bis ins 15. Jh. auch Eier- und Milchspeisen ein Tabu waren, zubereitet: „Am 7. Juni 1248 traf König Ludwig IX., der Heilige, mit den Oberen des Franziskanerordens im Kloster von Sens zusammen. Die Chronik berichtet, dass Kirschen, Weißbrot, vorzüglicher Wein, junge Bohnen in Milch gekocht, dann Fische und Krebse, Aalpasteten, Reis mit Mandelmilch und Zimt, gebratene Aale in einer feinen Sauce, nachher Torten, Käse und zum Schluss Früchte gereicht wurden.“ (Textquelle: uni-leipzig) Wann also erlangte die Kröte ihren schlechten Ruf? Im mittelalter-lexikon heißt es:„Dem Bild der Hexe waren stets bestimmte Tiergestalten beigesellt, so die – üblicherweise schwarze – Katze, Eule, Fledermaus, Kröte, Schlange, Spinne oder der – wiederum schwarze – Ziegenbock und Wolf. Nach Hildegard von Bingen wohnten der Katze unheilvoll-dämonische Kräfte (aerei spiritus) inne, ebenso der Kröte und der Schlange; alle drei galten als bevorzugte Helfer bei der ,schwarzen Magie'. […] Kröten und Schlangen dienten zum Schadenzauber, etwa indem man sie vor dem Haus vergrub, dem man Unglück bringen wollte. Darüberhinaus galten Schweine, Raben, Krähen, Elstern, schwarze Hühner oder rote Hähne als Hexen- und Teufelsgefährten.“ Kröten wurden andererseits auch Heilkräfte zugesprochen... eine mehrdeutige Welt. Und was macht nun für mich die Begegnung mit der Kröte in meinem Garten zum Glücksmoment? Vielleicht, weil mir die Kröte zeigt: Hier ist ein ausbalancierter Ort, wo sich Fauna und Flora wohlfühlen! Ok, ich würde jetzt nicht soweit gehen, sie an meinem Tisch sitzen und aus meiner Kaffeetasse trinken zu lassen, aber Kaffee wird sie sicher auch nicht sehr interessieren. Ich weiß jedoch, dass auf ihrem Speisezettel auch Nacktschnecken und Nacktschneckeneier stehen – na dann, hau rein kleiner Hüpfer!
Übrigens das Wort Kröten für Geld könnte darauf zurückzuführen sein, dass viele kleine Kröten eben auch wie Pfennige/ Cent aussehen. Eine andere Begründung geht vom niederländischen „Groten“ für „Groschen“ aus – Kleingeld-Groschen-Groten-Kröten?

Yana Arlt


Gertrud Kolmar

Die Kröte

Ein blaues Dämmer sinkt mit triefender Feuchte;
Es schleppt einen breiten rosiggoldenen Saum.
Schwarz steilt eine Pappel auf in das weiche Geleuchte,
Und milde Birken verzittern zu fahlerem Schaum.
Wie Totenhaupt kollert so dumpf ein Apfel zur Furche,
Und knisternd verflackert mählich das herbstbraune Blatt.
Mit Lichtchen gespenstert ferne die düsternde Stadt.
Weißer Wiesennebel braut Lurche.

Ich bin die Kröte.
Und ich liebe die Gestirne der Nacht.
Abends hohe Röte
Schwelt in purpurne Teiche, kaum entfacht.
Unter der Regentonne
Morschen Brettern hock ich duckig und dick;
Auf das Verenden der Sonne
Lauert mein schmerzlicher Mondenblick.

Ich bin die Kröte.
Und ich liebe das Gewisper der Nacht.
Eine feine Flöte
Ist im schwebenden Schilf, in den Seggen erwacht,
Eine zarte Geige
Flirrt und fiedelt am Felderrain.
Ich horch und schweige,
Zerr mich an fingrigem Bein

Unter fauler Planke
Aus Morastigem Glied um Glied,
Wie versunkner Gedanke
Aus dem Wust, aus dem Schlamm sich zieht.
Durch Gekräut, um Kiesel
Hüpf ich als dunkler, bescheidener Sinn;
Tauiges Laubgeriesel,
Schwarzgrüner Efeu spült mich dahin.

Ich atme, schwimme
In einer tiefen, beruhigten Pracht,
Demütige Stimme
Unter dem Vogelgefieder der Nacht.
Komm denn und töte!
Mag ich nur ekles Geziefer dir sein:
Ich bin die Kröte
Und trage den Edelstein…


Textquelle: planetlyrik