Ein absoluter Glücksmoment! Eine Kröte
in meinem Garten! Wie wunderschön sie ist, erdbraun mit samtiger
Haut. Das wäre für sie fast auch zum Verhängnis geworden. Ich
hatte einige Zeit einen Kübel im Garten auf dem Beet stehen, nun
wurde es aber Zeit, ihn wegzunehmen, etwas von der Erde darunter
auszuheben, um ihn dann wieder einzusetzen, mit Reisig, Grasschnitt
und Erde zu befüllen und zu bepflanzen. Gesagt, getan – Kübel
weg, Schippe in die Erde und Häufchen für Häufchen die Erde in den
bereit stehenden Eimer, hier und da mit Wucht und Kraft das Blatt
hineinschlagen in die harte Erde. Doch halt! Was aussieht wie ein
Erdklumpen, atmet und schaut mich an... eine Kröte! Schreck! Habe
ich sie verletzt in meinem Eifer? Geht es ihr gut? Wohin mit ihr,
damit sie geschützt ist, auch damit ich weiterarbeiten kann. Wohin?
Wohin? Wohin? Ah, das ist ein guter Platz, unter die aufgehäuften
Pflanzenreste des Vorjahres, die ich eben für solcherlei kleines
Getier erst einmal auf den Beeten als Schutz- und Ruheraum liegen
lassen wollte. Sie scheint unverletzt zu sein, krabbelt über die
trockenen, teils modrigen Stängel. Einige Minuten später schaue ich
sicherheitshalber nochmal nach, sehr diskret. Ich bin wirklich
glücklich, dass sich Vier-, Sechs-, Achtbeiner, Geflügelte,
Summende, Trällernde, Schniefende, Glucksende … in meinem Garten
wohlfühlen. Selbst bei Schnecken bin ich bis zu einem gewissen Grad
tolerant. Ich denke an so manchen Zeitgenossen, der bei einer Wespe
wild herumfuchtelt, bei einer Spinne das große Rennen bekommt, der
Mäuse kreischend begrüßt und bei einer Eidechse oder Kröte die
Nase rümpft, wie dereinst die Prinzessin bei der Konfrontation mit
dem hoheitlichen Frosch. Derlei Getier hat nicht den besten Ruf, wird
gar als Ingredienz für Hexensuppen aufgelistet. Kennt ihr das
vergleichsweise harmlose Volkslied „Morgens früh um sechs“? Als
Kind habe ich diese Verse geliebt. „Morgens
früh um sechs/ Kommt die kleine Hex' // […] // Feuert an um elf /
Kocht dann bis um zwölf // Fröschebein und Krebs und Fisch / Hurtig
Kinder, kommt zu Tisch.“ das ganze Gedicht HIER
Im Judentum gelten Krebse als nicht koscher. „Für
den Verzehr von Fischen gilt nach den Regeln der Kaschrut, also den
jüdischen Speisegesetzen, dass alle Süß- und Salzwasserfische
koscher sind, sofern sie über Schuppen und Flossen verfügen Diese
Bedingung erfüllen bspw. Hering, Lachs, Tunfisch, Hecht oder auch
Karpfen. Aal, Wels und Hai hingegen erfüllen diese Bedingung nicht.
Zudem sind Meeresfrüchte wie Krebse, Schalentiere, Krabben und alle
Meeressäugetiere wie der Wal ebenfalls nicht koscher.“
(Textquelle: jmberlin)
In früheren Zeiten waren Hummer, (Fluss)Krebs und Austern besonders
in Küstenregionen ein Armeleuteessen und wurden auch gern an
Fastentagen, an denen Fleisch, Wurst und bis ins 15. Jh. auch Eier-
und Milchspeisen ein Tabu waren, zubereitet: „Am
7. Juni 1248 traf König Ludwig IX., der Heilige, mit den Oberen des
Franziskanerordens im Kloster von Sens zusammen. Die Chronik
berichtet, dass Kirschen, Weißbrot, vorzüglicher Wein, junge Bohnen
in Milch gekocht, dann Fische und Krebse, Aalpasteten, Reis mit
Mandelmilch und Zimt, gebratene Aale in einer feinen Sauce, nachher
Torten, Käse und zum Schluss Früchte gereicht wurden.“
(Textquelle: uni-leipzig)
Wann also erlangte die Kröte ihren schlechten Ruf? Im
mittelalter-lexikon
heißt es:„Dem Bild der Hexe waren stets
bestimmte Tiergestalten beigesellt, so die – üblicherweise
schwarze – Katze, Eule, Fledermaus, Kröte, Schlange, Spinne oder
der – wiederum schwarze – Ziegenbock und Wolf. Nach Hildegard von
Bingen wohnten der Katze unheilvoll-dämonische Kräfte (aerei
spiritus) inne, ebenso der Kröte und der Schlange; alle drei galten
als bevorzugte Helfer bei der ,schwarzen Magie'. […] Kröten und
Schlangen dienten zum Schadenzauber, etwa indem man sie vor dem Haus
vergrub, dem man Unglück bringen wollte. Darüberhinaus galten
Schweine, Raben, Krähen, Elstern, schwarze Hühner oder rote Hähne
als Hexen- und Teufelsgefährten.“ Kröten wurden
andererseits auch Heilkräfte zugesprochen... eine mehrdeutige Welt.
Und was macht nun für mich die Begegnung mit der Kröte in meinem
Garten zum Glücksmoment? Vielleicht, weil mir die Kröte zeigt: Hier
ist ein ausbalancierter Ort, wo sich Fauna und Flora wohlfühlen! Ok,
ich würde jetzt nicht soweit gehen, sie an meinem Tisch sitzen und
aus meiner Kaffeetasse trinken zu lassen, aber Kaffee wird sie sicher
auch nicht sehr interessieren. Ich weiß jedoch, dass auf ihrem
Speisezettel auch Nacktschnecken und Nacktschneckeneier stehen – na
dann, hau rein kleiner Hüpfer!
Übrigens das Wort Kröten für
Geld könnte darauf zurückzuführen sein, dass viele kleine Kröten
eben auch wie Pfennige/ Cent aussehen. Eine andere Begründung geht
vom niederländischen „Groten“ für „Groschen“ aus –
Kleingeld-Groschen-Groten-Kröten?
Yana Arlt
Gertrud Kolmar
Die Kröte
Ein blaues Dämmer sinkt mit triefender
Feuchte;
Es schleppt einen breiten rosiggoldenen Saum.
Schwarz
steilt eine Pappel auf in das weiche Geleuchte,
Und milde Birken
verzittern zu fahlerem Schaum.
Wie Totenhaupt kollert so dumpf ein
Apfel zur Furche,
Und knisternd verflackert mählich das
herbstbraune Blatt.
Mit Lichtchen gespenstert ferne die düsternde
Stadt.
Weißer Wiesennebel braut Lurche.
Ich bin die Kröte.
Und ich liebe die
Gestirne der Nacht.
Abends hohe Röte
Schwelt in purpurne
Teiche, kaum entfacht.
Unter der Regentonne
Morschen Brettern
hock ich duckig und dick;
Auf das Verenden der Sonne
Lauert
mein schmerzlicher Mondenblick.
Ich bin die Kröte.
Und ich liebe das
Gewisper der Nacht.
Eine feine Flöte
Ist im schwebenden
Schilf, in den Seggen erwacht,
Eine zarte Geige
Flirrt und
fiedelt am Felderrain.
Ich horch und schweige,
Zerr mich an
fingrigem Bein
Unter fauler Planke
Aus Morastigem Glied
um Glied,
Wie versunkner Gedanke
Aus dem Wust, aus dem Schlamm
sich zieht.
Durch Gekräut, um Kiesel
Hüpf ich als dunkler,
bescheidener Sinn;
Tauiges Laubgeriesel,
Schwarzgrüner Efeu
spült mich dahin.
Ich atme, schwimme
In einer tiefen,
beruhigten Pracht,
Demütige Stimme
Unter dem Vogelgefieder der
Nacht.
Komm denn und töte!
Mag ich nur ekles Geziefer dir
sein:
Ich bin die Kröte
Und trage den Edelstein…
Textquelle: planetlyrik