Freitag, 3. Januar 2025

10. Türchen ins neue Jahr

 O K T O B E R

 

~ Jill Francis Käthlitz ~

 

 

Vom Kleinen Glück und der Kleinen Sorge ~ 2/3

 

[...]

„Wer weiß“, brummt die Kleine Sorge. „Mich haben die großen Sorgen immer davor gewarnt, dass kleines Glück eine kleine Sorge auslöschen kann. Aber wenn ich dich mir so ansehe … Wie ein glückliches Glück siehst du nicht aus, du bist wohl irgendwie geschwächt. Vielleicht hätte ich dich tatsächlich mit meiner Berührung auslöschen können. Aber auf so ein Experiment würde ich es nicht ankommen lassen wollen.“

„Ach ja, geschwächt bin ich“, seufzt das Kleine Glück. „Emsig bin ich immer und überall unterwegs und trete in Erscheinung – aber wozu, das frage ich mich. Ich könnte so viel Sonne in die Herzen der Menschen bringen. Ich kann ihnen helfen, freier zu sein, mehr Sinn zu haben für die wirklich kostbaren Dinge im Leben – aber kaum jemand beachtet mich. Kaum jemand weiß das kleine Glück zu schätzen. Nur große Wünsche haben die Menschen vor Augen, und mit weniger geben sie sich nicht zufrieden.“

Was du da jammerst!“, sagt daraufhin die Kleine Sorge. „Was soll denn ich sagen – ich bin nie und nirgends willkommen. Mich wollen die Menschen immer vertreiben!“

„Das wollen sie vielleicht. Aber dennoch lassen sie dich viel öfter in ihre Gedanken, nicht wahr? Den kleinen Sorgen geben sie stets mehr Raum als kleinen Momenten des Glücks“, meint das Kleine Glück.

Die Sorge zuckt mit den Schultern. „Mit den Menschen habe ich genug zu tun beziehungsweise sie mit mir, das ist richtig“, gibt sie zu. „Aber an deiner Stelle würde ich mich nicht wundern. Kleine Momente des Glücks ziehen doch schnell vorbei, sind so flüchtig wie Seifenblasen. Aber wir kleinen Sorgen setzen uns meist länger in den Gedanken der Menschen fest, wir sind wie ständige kleine spitze Steinchen in ihren Schuhen. Ein beständiges Ärgernis. Und eigentlich können wir dann sogar noch wachsen, bei einigen Menschen entwickeln wir uns rasch. Ja, und sieh dich bloß vor, wenn ich erst einmal eine Große Sorge bin!“, sagt sie und grinst auf unheimliche Weise.

[...]

 

~ Wolfgang Wache ~