Dienstag, 1. August 2023

Inspirieren lassen ~ eine trostlose Gegend

 

Ich weiß, keiner der Ferienkinder hört es gern, aber ein guter Teil der Sommerferien ist vorbei. Welche neuen Orte habt ihr entdeckt, welche Länder bereist, welche Begegnungen und Erfahrungen haben euch bereichert? Verbringt man einige Tage oder Wochen ein paar Kilometer entfernt von zu hause, erlebt man seine Heimatstadt neu, wenn man zurückkehrt. Im Urlaub ist alles anders: das Zeitempfinden, die Tagesaktivitäten und -rhythmen, die Wertigkeit von Dingen, Beziehungen, Abläufen; in fremden Ländern ist man von einer unbekannten Sprache umgeben, das Essen und das Wetter unterscheiden sich von dem heimischen; im außer-EU-Bereich ist es zusätzlich die landestypische Währung, auf die man sich einstellen muss. Kommt man dann nach hause, empfinden die einen eine Erleichterung, dass man in gewohnte Gewässer einfährt, die anderen bemerken jetzt erst die Kleinkariertheit und Spießigkeit ihres „normalen“ Lebensumfeldes und versuchen urlaubsländische Sichtweisen und Umgangsformen in den Alltag zu übertragen.

Wie ist das, wenn man in einer „Urlaubsregion“ lebt. Eine Stadt, ein Landstrich, in die es Urlauber, Besucher, Touristen zieht, die hier alle Annehmlichkeiten und Abenteuer genießen wollen, die ihnen zu hause verwehrt sind? Wie ist es, morgens aus dem Zelt zu krabbeln und in wenigen Schritten den Strand zu erreichen, in dem man ein paar Meter in bester, geprüfter Wasserqualität schwimmt oder eine ruhige Runde auf dem Standuppaddelbrett dreht? Wie ist es, wenn man abends entspannt bei einem Bier eine Vorstellung im überdachten Amphitheater genießt oder eine Runde im Riesenrad, direkt am Strand dreht. Im Wohnwagen bruzelt man sich zum Dinner eine Gemüsepfanne mit den Möhren und Kartoffeln vom Markt oder lässt bruzeln von den Gastronomen am Stadthafen, am Samstagnachmittag besucht man ein Konzert mitten in der idyllischen Gartenstadt Marga. Was könnte schöner sein, als hier Urlaub zu machen. Hier zu leben, so stellt es sich mancher vor, muss einfach herrlich sein! Doch hinter jeder Idylle stecken harte Arbeit, Kampf, Konkurrenz, Existenzangst. Und, jede Urlaubsregion hat dunkle Kapitel in ihrer Geschichte. Von seinem Wohn- und Lebensort, seinem Heimatort weiß man vielleicht das ein oder andere. Der Vorteil des Urlaubers ist, dass man unbeschwerter mit all den Angeboten umgeht, einfach nur die angenehmen Seiten einer Stadt, einer Region wahrnimmt und wahrnehmen will. Keiner will in seinem Urlaub etwas von Ausbeutung, Missbrauch, Armut, Mangel, Umweltschäden, Katastrophe und Krise hören! Keiner! Und doch stellen wir uns den Schattenseiten des Lausitzer Seenlandes – in unseren Ausstellungen, unseren Führungen, unseren Publikationen.

Yana Arlt

Übrigens erlebten wir gerade gestern erst Professor Kuhn, der viele Jahre mit den finanziell gut geförderten IBA-Projekten den Versuch unternahm, die Region nachhaltig zu prägen, bei einem Spaziergang über den Margahof. Er ging an der Begegnungsstätte & Galerie MARGA, unseren Veranstaltungs- und Ausstellungsräumen vorüber mit den erläuternden Worten für seine Begleiter: „So ein schöner Margahof aber es gibt niemanden, der hier etwas draus gemacht hätte.“ (sinngemäß)


Es ist eine trostlose Gegend, die sich bei Senftenberg dem Beschauer präsentiert. Duchweg Flachland, von etlichen Moränenzügen unterbrochen, bietet sich die Landschaft recht eintönig dar, wenn man von den Braunkohlengruben absieht, deren Tagebaue den Boden aufwühlen, ihn um Hunderte von Metern abseits seiner ursprünglichen Lagerung absetzen einzig und allein, um zu dem etwa 20 Meter mächtigen Braunkohlenflöz zu gelangen, das von einer 20 – 30 Meter dicken Schicht aus Sanden, Kiesen und Tonen überlagert ist. Dörfer, die dem Abbau im Wege stehen, verschwinden und wenige Monate später ist dort, wo heute noch die Kinder auf dem Dorfanger spielen, das Vieh in den Stallungen blökt, Brachland, das Schritt für Schritt den großen Abraumbaggern zum Opfer fällt.

aus A. W. Staub „Kumpel Student“, 1932