Montag, 1. Mai 2023

Künstlerbegegnung um 4 Uhr morgens

Wolfgang Wache

4-Uhr-Text*

25. April 2023

Irre. Vier-Uhr-Text. Als diese Form des Schreibens begann, gab es ein Gefühl der Gemeinschaft unter Gleichgesinnten, unter Freunden, die Freude am literarischen Schreiben hatten. Beim Schreiben dieser Texte hatte ich damals das Gefühl, dass uns etwas gemeinsames, die Freude am Entwerfen von poetischen Versen, verbindet. Eigentlich ist der Scheibende in seinem Schaffensprozess auf sich allein angewiesen. Bei der damals begonnenen Vier-Uhr-Schreibaktion begleite mich das Gefühl der Verbundenheit. Plötzlich waren an meinem Schreibtisch, früh um vier Uhr, verbündete Poeten zu Gast. Es kam sogar vor, dass einige sich um Vier Uhr (während einer Sommerwerkstatt) trafen und gemeinsam im kühlen Seewasser ihre poetische Hitze etwas abkühlten. Das waren außergewöhnliche, tollkühne, einmalige Besonderheiten. Sonst saß man um Vier Uhr einmal im Monat am Schreibplatz und war gedanklich unter Poeten. Ich hatte damals gespürt, dass sie sich gerade so wie ich auf einer dichterischen Entdeckungsreise befanden. Ich spürte ihre poetischen Gedankenblitze. Dies Gefühl ist weg. Was habe ich verkehrt gemacht. Es ist nicht mehr da. Wo ist die große Gemeinschaft der Wortkünstler. Einsamkeit hat mich in meiner Verseschmiede umschlungen. Das poetische Feuer hat seine wärmende, wohlige Kraft verloren. Vielleicht mache ich mir auch nur etwas vor. Vielleicht gab es nie diese große Verbundenheit unter den Versemachern. War dieser Gedankenflug nicht nur ein Wunschdenken. Wenn ich etwas länger nachdenke, stelle ich fest, es gibt sie doch noch die langanhaltende Verbundenheit. Es sind nicht hunderte verbündete Poeten. Aber einer oder zwei sind doch auch schon einzigartig. Die sind da, ich weiß es, ich spüre es. Dafür bin ich dankbar. Es sind die, die da ohne großen Aufschrei unaufhaltsam mit der Gemächlichkeit und dem Fingerspitzengefühl eines Poeten in der Welt der Poesie umherwandern. Sie gibt es. Das gibt mir Kraft. Nicht Trübsal blasen. Ich sollte mal wieder einige Holme und einige lyrische Sprossen an meiner poetischen Lebensleiter befestigen, damit ich ein Stückchen vorankomme. Der poetische Blick gepaart mit Kunstfertigkeit lässt mit etwas Geschick die lyrische Weite als wegweisende einmalige Stimme des Gewissens erscheinen. Ich grüße die Vieruhrschreiberin / den Vieruhrschreiber. Ich klettere auf meiner poetischen Leiter empor. Versprochen, es wird in diesem Jahr meinen Kalender „Atelierfundstücke 2024“ am Tag des offenen Ateliers geben. Wenn ich einmal auf der poetischen Leiter emporsteige, werde ich auch einige lyrische Leitersprossen zu einem Buch bündeln. Sollte ich dabei den Flug auf Pegasus' Schwingen erleben, erzähle ich es nur den Vieruhrschreibern. 

 

* Die Aktion wurde vor vielen Jahren initiiert, als Wolfgang Wache jungen Schreibenden erzählte, dass er zum eigenen kreativen Schaffen oft nur in den frühen Morgenstunden kommt. Zum gedanklichen Treff am Schreibtisch wurde der letzte Dienstag des Monats, die Morgenstunde 4 Uhr festgelegt.  

 

 

 

Rückblick auf Yana Arlt "4-Uhr-Text" Juli 2021