JULI
Im
Jahr 2016 gab ich einer Gruppe syrischer Kinder (Gule, Maere,
Haszrat, Said) Nachhilfe in Deutsch. Sie sprachen recht gut und es
ging darum, einige Schreibregeln zu festigen. Wir saßen nach dem
Unterricht im Klassenraum. Ich wollte keine sture Wissensvermittlung,
wollte die Phantasie anregen.
Vor
dem Fenster ragte ein großer Kirschbaum mit reifen Früchten in die
Höhe.
Sie
lockten.
Die
Kinder überlegten, wie man an die Kirschen heran käme.
So
entstand von mir das Gedicht und von den Kindern eine Zeichnung.
~ Renate Hensel ~
Der
Kirschenbaum…
oder
Rote
Leckerli
Der
große Baum vor unsrer Schule
begeistert
meine Freundin Gule.
Viel
rote Kirschen hängen dran,
die
Gule nicht erreichen kann.
Doch
möchte sie so gern mal naschen.
O,o,
was kann man da nur machen?
Ihr
Bruder Said, ein Gescheiter,
meint:
„Da holen wir ` ne lange Leiter!
Und
wenn wir dann den Ast erlangen,
können
wir die Kirschen fangen!“
Doch
Gule schüttelt ihren Kopf.
„Das
geht doch nicht, du armer Tropf!
Wir
müssen erst Herrn Müller fragen.
Als
Hausmeister hat er das Sagen!“
Maere,
Gules Freundin, lacht:
„Das
habt ihr euch fein ausgedacht.
Wir
dürfen niemals auf die Leiter.
Das
ist gefährlich und so weiter.“
„Ich
weiß“, meint Haszrat dann geschwind,
„die
Schule haftet für das Kind.
Herr
Müller könnt nach Kirschen langen,
und
wir, wir würden sie dann fangen.
„O
ja“, ruft Gule, auch Said,
„ich
habe jetzt schon Appetit!“
„Ich
auch“, rufen Haszrat und Maere.
Da
kommt Herr Müller in die Quere.
Erschrocken
schau`n ihn alle an.
„Was
ist passiert?“, fragt da der Mann.
Und
als sie ihm den Wunsch erzählen,
da
will er sie nicht länger quälen.
Er
holt die Leiter, steigt hinauf
und
wirft die Kirschen hin zuhauf.
Die
Kinder freut`s, sie jubeln gar.
Der
Zufall heut` ihr Helfer war.
Die
Kirschen wandern in den Mund,
zwar
ungewaschen, doch gesund,
der
Regen von vergangner Nacht,
hat
sie zu Leckerli gemacht.