Ein Spaziergang an der Ostseeküste von
Hiddensee anno 1764. Der 27-jährige Jacob Philipp Hackert studierte
an der Akademie der Bildenden Künste Berlin und fertigt seit 2
Jahren auf der Insel Rügen Naturstudien an, er war bereits in
Schweden, wurde vom schwedischen Regierungsrat Adolf Friedrich von
Olthof eingeladen. Er hat sich der wirklichkeitsgetreuen Darstellung
von Landschaften verschrieben, den Veduten und ist für zwei von
ihnen, die vor ca. 3 Jahren entstanden, gelobt worden. Im kommenden
Jahr wird er nach Paris gehen. Er wird in den nächsten Jahren in
Frankreich und besonders in Italien unterwegs sein, wird wichtigen
Persönlichkeiten und prägenden Lehrern begegnen. Der Weg eines
anerkannten Künstlers liegt vor ihm. Der Wind fegt über die
graublaue Fläche der Ostsee, peitscht das Wasser in Wellen auf,
verfängt sich in den Segeln eines Schiffes. Es ist Heiligabend, der
24. Dezember. Jacob fröstelt, der feine Nieselregen durchtränkt
seinen Mantel und den Filz seines Hutes, das Licht der „Luchte“
streift über die Insel und das Meer, bis zu den Schiffen. Doch er
ist nicht allein unterwegs, der gleichaltrige Georg David Matthieu,
Kupferstecher und Portraitmaler, ist ein paar Schritte entfernt von
ihm mit zwei weiteren Männern gestikulierend im Gespräch, ihre
Rockschöße und Schals flattern im Wind. Jacob und Georg sind auf
dem Weg zum Gottesdienst in der Inselkirche, die 1332 als
„Bauernkirche“ geweiht wurde, aber nicht zum 1536 aufgelösten
Zisterzensierkloster gehörte. Er schließt zur kleinen Gruppe auf
und ruft gegen die Böen Georg zu, dass sie jetzt weiter müssten. Am
Abend nimmt Jacob ein Blatt Papier zur Hand, mit der Feder und
Graphitstift entstehen Küstenverläufe und Wasserstrukturen, drei
Figuren, die durch ihre Kleinheit aber in zentraler Position im Bild
die überwältigenden Dimensionen von Steilküste und Meer betonen,
durch schwarze Tusche und Lavur erhält das Bild Tiefe und
Dynamik.
260 Jahre später, Dezember 2024, ich nehme das Buch
„Hiddensee – Insel der Fischer, Maler und Poeten“ von Michael
Baade und Wolf-Dietmar Stock in die Hand, das ich Ende November auf
dem Rückweg zum Hafen Vitte gekauft hatte, um dort die Fähre zurück
in die „Zivilisation“ zu besteigen. Ich schlage das Taschenbuch
auf, durchblättere es, bleibe an diesem und jenem Bild mit Fischern
beim Netzflicken, Fischerbooten, blühendem Ginster, Leuchtturm und
Steilküste hängen. Dann beginne ich zu lesen „Die Entdeckung des
Nordens für die Kunst“ und stocke bei den Sätzen: „Hackert
zählt zu den ersten bedeutenden Malern, die auf Rügen und Hiddensee
arbeiteten. Er machte am 24. Dezember 1764 eine Zeichnung.“ … ich
merke mir den Namen und das Datum, recherchiere … spinne eine
kleine Geschichte zusammen … vielleicht historisch nicht ganz
korrekt – ich bin ja kein Historiker, kein Kunstwissenschaftler –
aber mit Phantasie und mit der Erinnerung an meinen 5-tägigen
Aufenthalt auf Hiddensee Ende November 2024... als es stürmte und
nieselte und ich am Strand entlang ging ...
Yana Arlt
Wenn
man Weihnachten ans Meer ginge
(für
alle Weihnachtsmüden und die, die es nicht werden wollen)
Katja
Josteit
Wenn man Weihnachten ans Meer ginge
würde
der Bratenduft verwehen
der Mief der Familienstreitigkeiten sich
in Luft auflösen
der Gestank der Missgunst vom Seewind davon
getragen werden
und die Seele könnte wieder fliegen.
Wenn
man Weihnachten ans Meer ginge
würde die Last der Geschenke von
einem abfallen
und der Druck der Verpflichtungen davonwehen.
Die
falschen Schuldgefühle könnten sich im Seewind nicht halten
und
der Kopf würde endlich einmal frei.
Wenn man Weihnachten ans
Meer ginge
könnte man die klare, kalte Luft einatmen
das
salzige Spritzwasser auf der Haut fühlen
mit dem Tosen der Wellen
seine Ohren füllen
und das Herz dem Nordwind öffnen.
Und
wenn man Weihnachten nicht allein ans Meer ginge
sondern mit
anderen lieben Menschen
dann könnte man sie (nach oder trotz all
dem) umarmen
und vielleicht selbst umarmt werden
und
Weihnachten wäre endlich wieder Weihnachten.
Textquelle:
kuestenkidsunterwegs