Zahlen, bitte!
Niemand verhandelt schlechter als
Kreative. Wo andere selbstverständlich kassieren, freuen sie sich
über ein bisschen Ruhm. Kapitalisiert euch, fordert Sibylle Hamann.
[...]
Die Schnorrer quatschen uns nicht am
U-Bahn-Eingang an. Sie arbeiten in Verlagen, Theatern und Agenturen
und beherrschen die Techniken des gepflegten Diskurses. Sie
versprechen, man werde groß rauskommen ("Sie können mit einem
starken Impact rechnen"). Sie locken mit Gratiswerbung ("Wir
schreiben Ihren Namen groß aufs Plakat!"), mit Kontakten ("...
eine einmalige Gelegenheit zum Networking"), mit Möglichkeiten
zur Selbstvermarktung ("Sie können ja Ihre Bücher mitbringen
und verkaufen") und – eventuell – mit lukrativen
Folgeaufträgen ("Es wird sich sicher was Spannendes draus
ergeben!").
[...]
Zuerst einmal hat das mit der
systematischen Geringschätzung kreativer Arbeit zu tun. Zwar
bewundert die Gesellschaft Leute, die was mit Kunst oder Medien
machen, aber sie nimmt sie nicht ernst. Wer seinen Neigungen folgt,
steht schnell im Verdacht, sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben.
Schreiben, zeichnen, komponieren, basteln – das macht doch
angeblich Spaß. Leute, denen das im Blut liegt, tun es ohnehin den
ganzen Tag, die können gar nicht anders.
[...]
Das Kapital der Kreativen, so lautet
das Gesetz der Aufmerksamkeitsökonomie, ist nun mal die eigene
Marke. Deren Wert kann man steigern, indem man möglichst häufig
sichtbar ist, und irgendwann – so lautet das Versprechen – lässt
sich der Bekanntheitsfaktor in lukrative Engagements umwandeln. Wir
bezahlen dich nicht mit Geld, sondern mit Zugang zu einem großen
Publikum
[...]
Doch die meisten warten vergeblich auf
anständig bezahlte Aufträge, selbst wenn sie hervorragende Kritiken
bekommen, permanent ihre Websites aktualisieren und ständig in den
sozialen Medien unterwegs sind.
[…]
PS: Mir ist natürlich das Paradoxon bewusst, den Artikel auszugsweise wiederzugeben ohne Abonnent der Zeitung oder an der Honorarzahlung von Sibylle Hamann beteiligt zu sein ;-)
JA