Donnerstag, 5. Februar 2015

Was kann Politik überhaupt noch leisten? ODER Die Kultur säuft in der 3. Klasse ab


Warum entscheidet sich jemand für eine politische Laufbahn? Für mich ist das eine Frage, die mir immer wieder aufstößt. Geht es um gesellschaftliche Mitbestimmung, um Einfluss und Macht, um das nicht unerhebliche Gehalt oder die Aufwandsentschädigung, um die Absicherung von Rentenansprüchen, um soziale Verantwortung, um Status und Prestige? Warum stellt man sich zur Wahl für ein politisches Amt? Ich frage mich solcherlei nicht ohne Grund, denn gestern fand unser monatliches Treffen der Ortschronisten Brieske-Marga statt. Wir legten konkrete Arbeitsaufgaben für jeden fest und schnell wurde klar, dass wir mit unseren Kräften haushalten müssen, denn jeder hat neben dem Engagement für die Bewahrung und Aufarbeitung der Ortsgeschichte auch noch andere Verpflichtungen. Bei vielen Vorhaben ist eine Gruppe/ ein Verein auch auf konkrete Hilfe angewiesen. Unser erster Ansprechpartner ist für die Projekte in der „Begegnungsstätte für Ortsgeschichte und kulturelle Bildung“ der Ortsbeirat von Brieske. Immer wieder luden wir die Mitglieder dieses politischen Gremiums zu unseren Veranstaltungen ein, oft erhielten wir keine Antwort auf unsere Schreiben, unsere Anfragen und unsere Angebote; noch seltener folgten Ortsbeiratsmitglieder unserer Einladung oder informierten sich über den Stand der Entwicklungen. Wie können Vertreter aus Politik und Verwaltung Entscheidungen treffen, wenn sie nicht informiert und/ oder interessiert sind?
Oft hört man die Aussage, dass der wirtschaftlichen Entwicklung und Förderung oberste Priorität beigemessen wird. „Geht es der Wirtschaft gut – geht es der Kultur gut“. Überhaupt gibt es eine Menge Dinge, die in den Agenden der Städte, Gemeinden, Landkreise, Bundesländern, der Bundesrepublik, Europas weit vor der Förderung der Kunst und Kultur stehen. Wöchentliche neue Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft vereinnahmen alle Kräfte, um die Einbrüche nur ja nicht über uns allen zusammenschlagen zu lassen. Ich komme mir ein bisschen vor wie auf der Titanic: zu schnelle Fahrt, die drohende Gefahr wird ignoriert, bis sie eine riesige Schramme in den Schiffsrumpf reißt. Einige Banken und große Unternehmen werden als Passagiere der 1. Klasse als erste in die Rettungsboote verfrachtet, die natürlich bei weitem nicht genügen und ganz unten in der 3. Klasse säuft die Kultur einfach ab – das bekommt im allgemeinen Chaos ohnehin keiner mit und wer vermisst schon Passagiere, die nicht über ein „tragfähiges Konzept“ verfügen – sprich: Eigen-Kapital!
Um mein heutiges Gedankengespinnst einzurahmen, zitiere ich an dieser Stelle aus der Rede zur Eröffnung der artig’13 von Stephan A. Schmidt, Vorsitzender des artig e.V., während der Vernissage am 20. September 2013: Kunst und Kultur jedoch sind dieses Geld wert, weil das weder Almosen für Bettler noch Rettungsschirme für Zocker sind, sondern Investitionen in die Zukunft einer gesamten Gesellschaft – denn: Geht es der Kultur gut, geht es – auch – der Wirtschaft gut. Und vor allem dem Menschen.“ Das spricht mir wirklich aus dem Herzen Herr Schmidt und ich hoffe, dass vielleicht der ein oder andere Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung sich durch diese Worte an seine Verantwortung erinnert fühlt und idealerweise auch an seine ursprüngliche Motivation, Gesellschaft aktiv zu gestalten, soziale Gerechtigkeit wiederherzustellen und Bürgern aller Altersschichten den Zugang zu kreativen, selbstbestimmten Ausdrucksweisen zu gewähren, die dann auch Lebensqualität verbessern können.

JA