Samstag, 29. Mai 2021

29. Mai ~ Geburtstag von MARGO WENDT

Zwei Sträuße Maiglöckchen gab es gestern ans Grab der Künstlerin
auf dem "Alten Friedhof" in Senftenberg.


 

Aus Anlass des 100. Geburtstages der Künstlerin gab es 2007 eine Ausstellung im Rathaus Senftenberg. Die "Sächsische Zeitung" berichtete vor 14 Jahren:

22.05.2007 SÄCHSISCHE ZEITUNG.DE

Von Senftenberg ins Gulag verschleppt

Stalins Schergen verschleppten Margo Wendt 1946 nach Sibirien. Eine Ausstellung würdigt jetzt die Künstlerin.

Von Ralf Krüger

Fünf winzige Püppchen liegen in einer Vitrine im Senftenberger Rathaus. Sie wurden aus Brot und zusammengekratztem Kalk in der Untersuchungshaft angefertigt. Es ist der letzte Gruß der Senftenbergerin Margo Wendt an ihre vier Kinder, dann wurde sie für zehn Jahre ins Gulag nach Sibirien gebracht.

Das war im April 1946. Margo Wendt wurde von der Arbeit weggeholt. Die damals 40-Jährige half als Dolmetscherin im Senftenberger Krankenhaus. Das Leben der gebürtigen Russin hatte – aus Sicht Stalins – einen entscheidenden Makel: Sie war mit einem Deutschen, Günther Wendt, verheiratet. Das galt laut Strafgesetzbuch Paragraph 58, Artikel 1A der damaligen Sowjetunion (RSFSR) als „Verrat gegen das Heimatland“. Die Strafe lautete: zehn Jahre Freiheitsentzug und Einzug des gesamten Eigentums.

Vier Kinder blieben zurück

„Acht Jahre hat die Frau in verschiedenen Lagern in Sibirien verbracht. Weitere zwei Jahre durfte sie die Sowjetunion nicht verlassen. Erst 1956 kehrte sie zu ihren Kindern und ihrem Mann zurück“, erklärt Elke Rößiger vom Kulturamt der Stadt Senftenberg. 1958 wurde die gesetzliche Grundlage für die Verhaftung aufgehoben. Entschädigt wurden die Opfer nie.

Die Eindrücke der Gefangenschaft und die Jahre danach hat Margo Wendt, die an der Kunstgewerbeschule in Berlin-Charlottenburg studierte, künstlerisch verarbeitet. Weil sie am 29. Mai 100 Jahre alt geworden wäre, widmet sich nun eine Ausstellung im Senftenberger Rathaus ihrem Leben und Werk. Zu sehen sind auf Holztafeln gemalte Ölbilder mit Titeln wie „Lagerprostituierte“, „Betrunkene mit Baby“ oder „Die Lausenden“.

Die 1958 entstandenen Bilder sind bedrückend. Spätere Werke wirken fröhlicher, zeigen Tänzer, Musikanten, einen „Übermann“. „Das umfangreiche Gesamtwerk ist beeindruckend“, so Senftenbergs Bürgermeister Andreas Fredrich (SPD). Es besteht aus großformatigen Bildtafeln, Drucken und Monotypien. Auch Briefe aus der Gefangenschaft, Dokumente, Fotos und andere Zeitzeugnisse sind in der Ausstellung zu sehen, die gestern eröffnet wurde.

Bis zu ihrem Tod lebte Margo Wendt mit ihrer Familie in Senftenberg, war Mitglied im Verband Bildender Künstler. Am 31. Mai gibt es ab 19Uhr im Rathaus Senftenberg eine Gesprächsrunde mit Verwandten, Freunden und Wegbegleitern von Margo Wendt. Sewan Latchinian, Intendant der Neuen Bühne Senftenberg, wird Texte aus einem fiktiven Tagebuch lesen.

Ausstellung: Margo Wendt, Leben und Werk. Zu sehen ab heute im Rathaus Senftenberg während der Öffnungszeiten. Eintritt frei.