Sich verkleiden. Jemand anderes sein.
Das Portraitfoto bearbeiten. Den Lebenslauf aufhübschen. Auf das
Internetprofil gar ein Foto eines Models setzen. Wo verläuft die
Grenze zwischen optimieren und lügen? Gibt es das überhaupt noch,
die Lüge des Bildes, des Films, der Stimme? Vor einigen Tagen sah
ich eine Werbung für ein Computerprogramm, das deinen Wunschtext mit
der Stimme deines Lieblingsfilmstars spricht. Die Sprachbox meldet
sich mit einem Ansagetext von Keanu Reeves? Kein Problem!
Was ist
real? Was ist surreal? Was ist manipuliert? Was ist phantasiert? Das
zweite Leben im Internet ist so viel besser als das wirkliche Leben.
Im world wide web kann ich ein anderer sein, kann ich der sein, den
ich selbst kreiere. Es gibt Coaches/ Teachers, die fragen und
behaupten: „Mal angenommen, du könntest dein Leben heute neu
beginnen, was würdest du anders machen? PS: Du kannst heute neu
beginnen.“ Ist es wirklich so einfach? Kann ich all die Erfahrungen
und Einflüsse, die mich auf meinem Lebensweg prägten mit einer
Entscheidung abwerfen, kann ich die Verletzungen und Ängste einfach
hinter mir lassen? Ich bin mir sicher, dass es wichtig ist, die
Dinge, die uns geschehen zu hinterfragen – ganz besonders wenn wir
nicht wollen, dass sich ein ähnliches Szenario wiederholt oder auch
wenn wir wollen, dass es noch einmal geschieht. Man kann nicht immer
das Gleiche tun und erwarten, dass sich etwas ändert, dass etwas
anders läuft als bisher. Oder doch? Man kann nicht zwei Mal in den
selben Fluss steigen. Also, warum sollte eine Handlung nicht eine
andere Wirkung erzielen, wenn sie unter anderen Umständen ausgeführt
wird. Ist das nicht irgendwie das Prinzip des Übens, des Trainings?
Ich mache eine Sache – eine Tonleiter auf einem Instrument spielen,
eine Pirhouette mit Schlittschuhen auf dem Eis drehen - immer wieder
und werde nach und nach besser darin. Kann man ein Meister der
Manipulation und Lüge werden oder kommt am Ende doch die Wahrheit
ans Licht?
Zu Halloween ist es üblich, dass Menschen sich
verkleiden, sie spielen mit Wirklichkeit und Vorstellungskraft. Auch
der 11.11. ist nicht mehr weit, um 11 Uhr 11 beginnt die 5.
Jahreszeit, die Zeit des Verkleidens, des Spiels mit Identität und
Möglichkeiten. Erinnert ihr euch noch, als was ihr euch zur
Faschingsfeier in Kita oder Schule verkleidet habt? Wie viel von der
Wunschidentität steckt heute in euch? Die Maskierung ist ein uraltes
Ritual, um sich die Kräfte und Energien anderer Wesen anzueignen
oder andere Wesen abzuschrecken. Und was bleibt, wenn alle Masken
fallen?
Masken
sind die Bewahrer meines Friedens.
Sie schützen mich vor der
Welt da draußen.
Sie schützen euch vor der Welt in mir.
Und
sie schützen mich vor meiner Liebe zu dir.
Wahr ist das
Meer,
wahr ist das Gebirge,
wahr der Stein,
wahr der
Grashalm
aber der Mensch?
Es ist immer maskiert,
auch wenn er es
nicht will und nicht weiß.
Luigi Pirandello