Montag, 2. Oktober 2023

Inspirieren lassen ~ Engel

 

Er ist fort.
Einzig die verwaiste Holzstele auf dem Metallfuß steht noch. Sogar der Zettel mit der Beschriftung ist fort. Hier stand und wachte einst ein Energiewesen, geboren aus Eisen, aus Stahl, aus Metall. Die Leere ist aufgeladen mit Sehnsucht, Begehren, Habgier, Enttäuschung, Schmerz, Unverständnis, Wut, Traurigkeit. Eine leere Stele kann so viel tragen. Tausend Seelen im Himmel haben auf einer Nadelspitze Platz. Wie viele Engel können auf einer Nadelspitze sitzen? Ich vernehme die Nachricht über die Leere mit Fassungslosigkeit. Die Worte machen doch keinen Sinn. Das ist ein Irrtum. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Neues Testament Johannes 20; 29) Ich kann es nicht glauben. Ich muss es sehen.
Er ist fort.
Er ist fort.
Er ist immer noch fort.
Wie soll ich mit der Leere umgehen. Wie kann ich es erklären – mir selbst und den Künstlern, die ihre Werke auf meine Anfrage hin in der Evangelischen Peter-Paul-Kirche Senftenberg aufhängten und -stellten, die sie aus reinster Absicht aus Cottbus in die kleine Kreisstadt in Südbrandenburg brachten und damit auch mir vertrauten. Ich sitze in einem Karussel aus „Hätte...“, „Wäre...“, „Könnte...“ und ich vertrage dieses Drehen nicht, kann keinen klaren Gedanken fassen. Wer ist schuld? Wen kann man bestrafen? Was kann man tun? Was ist jetzt zu tun?
Er ist fort.
Er ist immer noch fort.
So oft ich auch dorthin schaue, wo er einst stand.
Auf eine leere Holzstele passen viele Empfindungen, Gefühle, Gedanken. In der Höhe, Breite, Tiefe ist reichlich Raum. In Gedanken drücke und presse ich das alles zusammen und werfe es auf den Dieb. Ich imaginiere, wie die kleine metallene Figur in seinen Händen zu glühen beginnt, ihm die Haut an den Fingern und dem Handteller verbrennt. Ich imaginiere, wie er vom Rauschen tausender Flügelpaare in seinen Träumen heimgesucht wird. Ich imaginiere, wie sich ihm die Last der Sorge und der Selbstvorwürfe auf die Schultern legt, so dass er kaum noch aufstehen, kaum noch sitzen und gehen kann. Ich imaginiere, wie die Anwesenheit des Unrechts ihn mehr und mehr umschnürt.
Während ich dies schreibe, lockt mich ein Vogelruf auf den Hof. Ich sehe einen Bussard hoch oben im hellblauen Himmel kreisen. Fast scheint es, als könne ein Raubvogel mich mit einem Kunst-, einem Engel-Räuber versöhnen.

Yana Arlt



Am 2. Oktober eines jeden Jahres feiert die katholische Kirche das Schutzengelfest. Dabei wird in besonderer Weise den Engeln als helfende Boten Gottes gedacht.

Der Ursprung der Engel-Verehrung ist bereits im Judentum zu suchen. So heißt es dort beispielsweise im Psalm 91 des Alten Testaments:
Gott befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.

Diese biblische Überlieferung von der Existenz der Engel ist auch Grundlage für den Glauben an die Schutzengel. Im 3. Jahrhundert hat schon der heilige Blasius (der Große) gesagt:
Jedem Gläubigen steht ein Engel als Beschützer und Hirte zur Seite, um ihn zum Leben zu führen.

 Textquelle: vivat.de

 


Yana Arlt ~ Lyrik

Engel wacht an der Peter-Paul-Kirche

Eines meiner Lieblingsgedichte "Die Visite", Hans Magnus Enzensberger