Im Kopf ist alles klar. Die Klänge kann ich im Raum hören. Die Figuren schweben bereits über dem Teppich. Die Bilder und Filme, die die Stimmen malen, sind für mich zu sehen. Dabei sind es zwei Hand voll Texte, die vor mir liegen, einige Percussioninstrumente daneben und große, zerschnittene Pappkartons und Acrylfarbtuben. Im Kopf ist das alles bereits Figurenspiel, Klang, Atmosphäre. Was Dichter umtreibt, ist nicht zu sehen, es findet in ihren Köpfen statt. Es sind die Farbenspiele an einem See, es ist das Gebet in der Kirche, es ist der Gang durch die einst gemeinsam belebte Wohnung, es ist der Herbstregen, scheinbar ganz banale Dinge des Alltags. Nein, trivial ist nichts an den Themen, die die DichterInnen in ihren Worten und Liedzeilen festhalten. Mit großer Sensitivität nehmen sie ihr Lebensumfeld wahr. Natürlich sind das nicht immer erfreuliche und heitere, glückliche und zärtliche Momente. Wolfgang Wache, Konstanze Niemz und Nanette Kubusch öffnen mir mit ihren Texten den Blick für ganz andere Geschichten. Ich freue mich, über ihre Zusage, die diesjährige Performance „Die Kirche ~ Ein Garten ~ Ein Sternenzelt“ in der Briesker Kirche mitzugestalten. Berauscht schreibe ich das Programm. Mit großem Einfühlungsvermögen erarbeiten wir die Umsetzung im sakralen Raum, proben, variieren, testen. Ich weiß nicht, ob das Lampenfieber Vorfreude ist oder Befürchtungen, dass etwas „schief“ gehen könnte. Aber es kann nichts schief gehen, wenn vier Menschen voller Begeisterung schreiben und auch ihre Texte vortragen. Es ist kein Theaterstück, das wir an diesem Samstagabend vorführen, es sind unsere eigenen Texte, die wir musikalisch und in kleinen Inszenierungen dem Publikum darbieten. Und das Publikum? Es kommt, sitzt erwartungsvoll und sagt nach der Stunde: Es hätte für mich noch länger gehen können. Die Vielfalt der Ideen zur Umsetzung wird gelobt, die Abwechslung innerhalb des Programms, die Freude. Freue ich mich über diese Rückmeldungen? Natürlich! Und doch, nun ist es Zeit, wieder an das Schreibbuch zurück zu kehren. All die Eindrücke des Tages, die Ängste und Zweifel der Nacht in Verse zu fassen. Ob diese neuen Texte je in einem Buch veröffentlicht werden, ob sie je Teil einer Lesung werden, kann niemand sagen. Ich vermag nicht in die Zukunft zu sehen, ich kann nur Vergangenheit und Gegenwart künstlerisch reflektieren und meine Fantasie ein wenig „stell dir vor ~“ auf dem weißen Blatt Papier skizzieren lassen.
Yana Arlt
Yana / Vielleicht ist heute der letzte Tag
Wolfgang / der letzte Tag vor dem Verlust
Nanette / der letzte Tag mit sommerlichen Temperaturen
Konstanze / der letzte Tag vor dem Zusammenbruch
Wolfgang / der letzte Tag in Klarheit
Nanette / der letzte Tag ohne
Konstanze / der letzte Tag mit
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aus Yana Arlt „Vielleicht ist heute der letzte Tag“