Es war ein warmer Septembermorgen, als
wir zu acht losmarschierten. Nein, ein Marsch sollte es ja nicht
werden auch keine Wanderung – ein Spaziergang auf der Spur der
Geschichte des Senftenberger Sees. Auf geht es zum Niemtscher Park!
Was die Schwarze Elster mit dem See zu tun hat, die wir gerade auf
der Brücke überqueren, erfährt man im Gespräch – auch was es
mit dem Kleinen Wiesenknopf, der Taubnessel und der Topinambur auf
sich hat, die am Flusslauf wachsen. Die kleine Gruppe erreicht eine
Lichtung, die noch vor einem Jahr Gärten waren. Kein Stein von den
Laubengebäuden ist mehr zu sehen, keine Zaunsäule, nicht einmal
mehr der Springbrunnen. Ein paar Koniferen, die fast militärisch
aneinandergereiht stramm stehen, ein paar Ringelblumen und Cosmeen,
eine verlassene Schaukel an einem Baumast verweisen darauf, dass hier
Gärten lauschige Sommerquartiere für Mensch und Tier waren. Und
natürlich Obstbäume sind auf dem Areal zu entdecken. Anfang
September ist die Kirschsaison abgeschlossen aber die Äpfel leuchten
gelbgrün und rot in den Kronen der knorrigen Alten. Nur eine
Handvoll liegt verzehrfertig auf den Baumscheiben im Gras, ein guter
Teil ist bereits angeknabbert oder faulig. Der Duft, der Geschmack
der Früchte ist nicht zu vergleichen mit der Supermarktware, die
normgerecht, in Folie gehüllt in den Obstabteilungen auf Käufer
wartet. Es ist wie ein Spaziergang durch das Paradies. Nicht einmal
Mücken belästigen uns in dieser Idylle.
Vor einigen Tagen kam
ich noch einmal zurück zu diesem Ort und füllte einen großen
Beutel mit den köstlichen Früchten. An diesem Morgen nahm ich mir
auch die Zeit für weitere Entdeckungen. Hier steht Frauenmantel und
dort neigen sich die bereits ergrauten Köpfe der Goldrute, Amaranth
leuchtet karminrot wie Fackeln wo einst sicher Wege entlang führten,
ganz versteckt weitere Apfelbäume, das herunter getretene Gras um
den Stamm deutet mir von anderen Besuchern. Als ich den prallen
Beutel in meine Fahrradtasche packe, mein Gesicht der Sonne zuwende,
die zwischen den belaubten Kronen zwinkert und tief einatme, fliegen
4 Schwäne über die Wipfel hinweg. Paradies! Aus den Äpfeln werde
ich Mus kochen. Ich stelle mir vor, ein Glas zu öffnen, wenn draußen
der kalte Wind um die kahlen Laubbäume pfeift und sich auf den
verbliebenen Goldrutenstängeln der Schnee zu einer Haube schichtet.
Vielleicht werde ich auch einen Kuchen backen oder einen Strudel mit
Zimt und Mandeln, dazu gibt es dann eine Kugel Vanilleeis. Das
Wunderbare daran ist, dass ich das alles nicht muss. Die verwaisten
Gärten sind ein Ort, an den ich nach Belieben zurückkehren kann.
Allein oder in Begleitung. Mit einem Beutel für die Ernte oder
einfach nur zum Atem holen und Träumen. Vielleicht inspiriert mich
der Ort zu ein paar Versen oder zu ein paar LandArt-Bildern. An jenem
Septembervormittag hatten wir nicht viel Zeit, denn gut dreiviertel
der Spazierstrecke lag noch vor uns. Aber diese Minuten genügten für
ein Erinnerungspolster, dass mich wappnet gegen einige Unbillen des
Alltags. Ja, und dann gibt es zudem die Gläser mit goldgelbem
Apfelmus.
Yana Arlt
Ich
liebe dich wie Apfelmus,
so zärtlich wie Spinat,
doch wenn
du mich nicht lieben tust,
dann ham wir den Salat.
Joachim
Ringelnatz