Montag, 12. August 2024

Inspirieren lassen ~ Da bist du ja!

 

Montagmorgen 8 Uhr
Sitze nach dem Schwimmen am Ufer des Senftenberger Sees.
Sogar einige Glockenschläge des Senftenberger Morgengeläuts sind zu hören.
Nach vielen Monaten, sogar Jahren sitze ich an der Stelle, an der ich vor ca. 15 Jahren die morgendlichen Schwimmrunden begonnen habe. Damals gab es einen sehr schmerzhaften Bruch in meinem Leben und die frühen Bäder und Schwimmzüge halfen mir, in den Tag zu starten. Die Ruhe der Stunden zwischen 6 und 8 Uhr, einzig ein Hase am Wegesrand, die Rufe der Kraniche, das Plätschern der Wellen, das Rascheln der Blätter in den Baumkronen, der Geruch des Sees und des Waldbodens... hier konnte ich mich verausgaben, mich körperlich spüren ohne, dass Zeiten gemessen, Lauf- und Schwimmtechniken kritisiert, Distanzen bewertet wurden. Hier konnte ich weinen, schniefen, mir selbst murmelnd Mut zusprechen, schimpfen, durchatmen. Ich konnte Kraft tanken für den Alltag mit all seinen Herausforderungen, Erfordernissen, Dringlichkeiten, Begegnungen mit Menschen. Menschen waren das, was ich gar nicht brauchen konnte. Menschen halfen mir kein bisschen, meine Wunde zu heilen. Gut, einen gab es, der nicht fragte, der nur da war und wie so oft in den vergangenen Jahren immer die richtigen Worte fand. Ich fühlte mich mir selbst entfremdet – nur nicht in diesen Morgenstunden. Ich entdeckte dieses Puzzleteil des 15 Jahre jüngeren ICHs heute morgen wieder. An dieser Stelle am See. Dieser Ort hatte sich verändert. Ich hatte mich verändert. Die schützende Kiefer war umgestürzt und dann knapp über der Wurzel abgesägt worden. Mein Vater, meine Großtante, Wegbegleiter waren gestorben. Die Stelle, an der ich früher Schritt für Schritt ins Wasser glitt, war zugewachsen mit Binsen. Einige Kontakte zu Menschen, denen ich mich freundschaftlich verbunden fühlte, waren verwildert und Kommunikationswege waren unpassierbar geworden. Und doch fühlte ich mich zu hause. „Da bist du ja!“ „Schön, dass wir uns wiedersehen!“ Eine Libelle flog seltsame Formationen, direkt vor mir. Hätte ich ihren Flug nachgezeichnet, wären es Zeichen gewesen ~ Ich
Dich ~ Das glaubst du mir nicht? Musst du auch nicht, das ist meine Welt, mein Kraftort! Hier rede ich baumisch, wolkisch, wellisch und libellisch.

Yana Arlt


Du siehst die leuchtende Sternschnuppe nur dann, wenn sie vergeht!

Friedrich Hebbel 


 

Das letzte Mal
Mascha Kaléko

... Den Abend werde ich wohl nie vergessen,
Denn mein Gedächtnis ist oft sehr brutal.
Du riefst: „Auf Wiedersehn". Ich nickte stumm. – Indessen
Ich wusste: dieses war das letzte Mal.

Als ich hinaustrat, hingen ein paar Sterne
Wie tot am Himmel. Glanzlos kalt wie Blech.
Und eine unscheinbare Gaslaterne
Stach in die Augen unbekümmert frech.

Ich fühlte deinen Blick durch Fensterscheiben.
Er ging noch manche Straße mit mir mit.
– Jetzt gab es keine Möglichkeit zu bleiben.
Die Zahl ging auf. Wir waren beide quitt.

Da lebt man nun zu zweien so daneben...
Was bleibt zurück? – Ein aufgewärmter Traum
Und außerdem ein unbewohnter Raum
In unserm sogenannten Innenleben.

Das ist ein neuer Abschnitt nach drei Jahren,
– Hab ich erst kühl und sachlich überlegt.
Dann bin ich mit der Zwölf nach Haus gefahren
Und hab mich schweigend in mein Bett gelegt...

Ich weiß, mir ging am 4. Januar
Ein ziemlich guterhaltnes Herz verloren.
– Und dennoch: Würd ich noch einmal geboren,
Es käme alles wieder, wie es war...


Textquelle: deutschelyrik