Montagmorgen 8 Uhr
Sitze nach dem
Schwimmen am Ufer des Senftenberger Sees.
Sogar einige
Glockenschläge des Senftenberger Morgengeläuts sind zu hören.
Nach
vielen Monaten, sogar Jahren sitze ich an der Stelle, an der ich vor
ca. 15 Jahren die morgendlichen Schwimmrunden begonnen habe. Damals
gab es einen sehr schmerzhaften Bruch in meinem Leben und die frühen
Bäder und Schwimmzüge halfen mir, in den Tag zu starten. Die Ruhe
der Stunden zwischen 6 und 8 Uhr, einzig ein Hase am Wegesrand, die
Rufe der Kraniche, das Plätschern der Wellen, das Rascheln der
Blätter in den Baumkronen, der Geruch des Sees und des Waldbodens...
hier konnte ich mich verausgaben, mich körperlich spüren ohne, dass
Zeiten gemessen, Lauf- und Schwimmtechniken kritisiert, Distanzen
bewertet wurden. Hier konnte ich weinen, schniefen, mir selbst
murmelnd Mut zusprechen, schimpfen, durchatmen. Ich konnte Kraft
tanken für den Alltag mit all seinen Herausforderungen,
Erfordernissen, Dringlichkeiten, Begegnungen mit Menschen. Menschen
waren das, was ich gar nicht brauchen konnte. Menschen halfen mir
kein bisschen, meine Wunde zu heilen. Gut, einen gab es, der nicht
fragte, der nur da war und wie so oft in den vergangenen Jahren immer
die richtigen Worte fand. Ich fühlte mich mir selbst entfremdet –
nur nicht in diesen Morgenstunden. Ich entdeckte dieses Puzzleteil
des 15 Jahre jüngeren ICHs heute morgen wieder. An dieser Stelle am
See. Dieser Ort hatte sich verändert. Ich hatte mich verändert. Die
schützende Kiefer war umgestürzt und dann knapp über der Wurzel
abgesägt worden. Mein Vater, meine Großtante, Wegbegleiter waren
gestorben. Die Stelle, an der ich früher Schritt für Schritt ins
Wasser glitt, war zugewachsen mit Binsen. Einige Kontakte zu
Menschen, denen ich mich freundschaftlich verbunden fühlte, waren
verwildert und Kommunikationswege waren unpassierbar geworden. Und
doch fühlte ich mich zu hause. „Da bist du ja!“ „Schön, dass
wir uns wiedersehen!“ Eine Libelle flog seltsame Formationen,
direkt vor mir. Hätte ich ihren Flug nachgezeichnet, wären es
Zeichen gewesen ~ Ich
Dich ~ Das glaubst du mir nicht? Musst du auch nicht, das ist meine
Welt, mein Kraftort! Hier rede ich baumisch, wolkisch, wellisch und
libellisch.
Yana Arlt
Du
siehst die leuchtende Sternschnuppe nur dann, wenn sie vergeht!
Friedrich Hebbel
Das
letzte Mal
Mascha
Kaléko
...
Den Abend werde ich wohl nie vergessen,
Denn mein Gedächtnis ist
oft sehr brutal.
Du riefst: „Auf Wiedersehn". Ich nickte
stumm. – Indessen
Ich wusste: dieses war das letzte Mal.
Als
ich hinaustrat, hingen ein paar Sterne
Wie tot am Himmel. Glanzlos
kalt wie Blech.
Und eine unscheinbare Gaslaterne
Stach in die
Augen unbekümmert frech.
Ich fühlte deinen Blick durch
Fensterscheiben.
Er ging noch manche Straße mit mir mit.
–
Jetzt gab es keine Möglichkeit zu bleiben.
Die Zahl ging auf. Wir
waren beide quitt.
Da lebt man nun zu zweien so daneben...
Was
bleibt zurück? – Ein aufgewärmter Traum
Und außerdem ein
unbewohnter Raum
In unserm sogenannten Innenleben.
Das ist
ein neuer Abschnitt nach drei Jahren,
– Hab ich erst kühl und
sachlich überlegt.
Dann bin ich mit der Zwölf nach Haus
gefahren
Und hab mich schweigend in mein Bett gelegt...
Ich
weiß, mir ging am 4. Januar
Ein ziemlich guterhaltnes Herz
verloren.
– Und dennoch: Würd ich noch einmal geboren,
Es
käme alles wieder, wie es war...
Textquelle:
deutschelyrik