Was erwarte ich, wenn ich zu einer
Ausstellungseröffnung gehe? KUNST! In erster Linie gute oder
zumindest interessante Kunst. Ob Gemälde, Skulpturen/ Plastiken oder
Installationen, Performances etc., hauptsache ich entdecke etwas
Neues, einen ungewohnten Blick auf die Welt.
Was erwarten andere
Vernissagegäste? Es scheint mir, es geht bei all dem Hallo!
Schön dich zu sehen! Wie geht es dir. den Umarmungen, Bussis
und Weingläserklingen eher um das Sehen und Gesehenwerden. Mein
Eindruck ist, dass die Besucher die Ladatio eher über sich ergehen
lassen, als dass sie den Worten über KünstlerIn und Werk aufmerksam
folgen. Nun, es ist ja oftmals ein Aushang zu sehen, auf dem man den
Werdegang des Kunstschaffenden nachlesen kann, möglicherweise gibt
es einen Katalog, der ebenfalls Lebensstationen aufzeichnet und
Abbildungen der Werke enthält. Viele KünstlerInnen sind im Internet
präsent, über den/die ein oder andere/n kann man sich in Büchern
schlau machen. Wozu also eine Ausstellungseröffnung besuchen? Haben
doch diejenigen „Recht“, die nur zweitrangig wegen der Kunst
hingehen aber in erster Linie wegen der Begegnung mit anderen?
Vielleicht auch wegen dem Glas Wein mit guten Bekannten? Vielleicht
auch wegen der musikalischen Beilage, die hier und dort eine
Vernissage bereichert? Und steht dort hinten nicht ein Bufett mit
delikaten kleinen Häppchen? Ich fühle mich nicht wohl, in dieser
großen Inszenierung eine Statistenrolle zu bedienen. Die
plaudernden, lachenden Menschen stehen zu zweit oder in kleinen
Grüppchen vor den Bildern, Skulpturen, Bildschirmen... Nichts an
diesem Abend berührt oder inspiriert mich. Am angenehmsten ist mir
das Lächeln der Frau am Einlass. Eine andere Dame zieht sich,
schimpfend auf ihren abwesenden Mann, die Jacke an und möchte nun
endlich nach hause gehen. Warum sollte das eine von uns anwesenden
Frauen interessieren? Ich schaue zur Frau hinter dem Empfangstresen,
ziehe die Augenbrauen hoch, sie nickt – was für eine herrliche
Kommunikation ohne ein Wort. Vielleicht komme ich in den Wochen bis
zum 12. März noch einmal ins Museum und schaue mir die Bilder in
aller Ruhe an und versuche in ein oder zwei Stunden meinem
Widerwillen ihnen gegenüber auf die Spur zu kommen. In jeder
Kunstausstellung versuche ich wenigstens 1 Werk zu entdecken, dem ich
zugetan bin. Im Fall von Paul Böckelmann könnte es „Köpfe / Ego
5“ sein. Aber eigentlich wäre es dieses Bild wegen dem klaren
Blauton der Ölfarbe auf Leinwand.
Gerade als ich diese Zeilen geschrieben hatte, fiel mir die Weihnachtspost von Bernd Lunghard ein, zu einem selbstgezeichneten Bild gab es dieses Gedicht, das wunderbar zu meiner Analyse passt:
Bernd Lunghard
Eine
Vernissage
Vernissage im Kultursaal des Kraftwerkes
SPREE,
außer den Bildern ein Riesenbüfett.
Erst Reden,
Laudatio, dazwischen Gesang,
untermalt von zwei Bratschen. - 'ne
Stunde lang.
Endlich geht’s zu den Bilcern, nein, erst zum
Büfett,
ein Sektchen, ein Teller mit Steaks und Püree.
Manch
Gemälde ist dann bloß in Teilen zu sehn,
weil dicht davor
kauende Menschen stehn.
Ölbilder, gespachtelt, den Augen ein
Fest,
eine blühende Landschaft mich staunen lässt.
Leider
schiebt sich gerade ein Pärchen davor,
und leider dringt dieses
Gespräch an mein Ohr:
„Und das, Schatz, ist sicher ein
Aquarell, gell?“ -
„Nicht doch, mein Häschen, das ist ein
Pastell!“
Still steht der Maler hinten im Raum,
ein hagerer
Mann, man bemerkt ihn kaum.
Grau sind seine Haare, grau ist
sein Hemd,
er möchte verschwinden, er fühlt sich fremd
in
dieser Umgebung, bei dieser Bagage,
doch muss er bleiben, ist ja
seine Vernissage.
aus:
„Plötzlich Frühling – Gedichte und Sprachspielereien“
ISBN
978-3-86929-511-4
Fenster in der Festung Schloss Senftenberg
zum Schlosshof hin, in dem die Laudatio
vorgetragen wurde.
„Die
Werke des in Altenau beheimateten Künstlers bestechen mit einer
typischen, spontanen und flüssigen Linienführung, und sind von
eindrucksvoller Farbigkeit. Paul Böckelmann zeigt Wesen, deren
Innerstes ans Licht gezerrt wurde und schafft Räume, die zum Ort der
Artikulation und Kommunikation werden. Es ist eine Auseinandersetzung
des Künstlers mit sich selbst, mit den eigenen sich wandelnden
Stimmungen und der eigenen Vergänglichkeit.“
Textquelle:
museumsentdecker