Eine Jahreszahl – nur eine Jahreszahl
steht da im TV-Programm.
Was fällt dir zu dieser Jahreszahl
ein?
Beginn der russischen Februarrevolution
Beginn der
dritten Flandernschlacht
Der 11-jährige Puyi wird nach einem
Militärputsch zum zweiten Mal zum Kaiser von China gekrönt
Mehr
als 100.000 Arbeiter beteiligen sich in Australien an einem
Generalstreik
Im März wird in Offenbach am Main das Deutsche
Ledermuseum eröffnet
Eugene Clark stellt den ersten Gabelstapler
her
Aber, wir sind eben auch noch mitten im Krieg, im Ersten
Weltkrieg
Von einem lebensgefährlichen Auftrag für zwei
britische Soldaten erzählt der Film „1917“. Eine Geschichte, der
ich atemlos und mit innerer Anspannung folge. Sam Mendes sagt über
seinen Film: „Als Junge war es packend zu
hören, wie mein Großvater als Kurier unterwegs war und Depeschen
überbrachte. Diese Geschichten brannten sich ein. So hat sich die
Idee zu unserem Film über Jahre entwickelt: Ein Mann soll eine
Nachricht überbringen, die das Leben von Tausenden Soldaten retten
könnte. Doch der Film handelt nicht direkt von meinem Großvater,
sondern wurde von ihm inspiriert.“ Textquelle: spiegel.de
Ich schalte den Fernseher aus. Denke an den Stein auf dem Friedhof
Brieske-Marga: „Zum Andenken an unsern geliebten Sohn u. Bruder
Walter Böhme / * 7.5.1896 / vermisst am 11.11.1914 in Flandern“
Wenn
ein Roman, 1949 erschienen, „1984“ heißt, worum kann es da wohl
gehen? Es gibt mehrere Verfilmungen aber die stärkste Kraft hat
immer noch die Fantasie und als ich vor vielen Jahren dieses Buch
las, irritierte es mich. Ich wollte nicht weiter lesen und konnte
nicht aufhören.
Bestimmte Jahreszahlen sind fest mit unserem
kollektiven Gedächtnis verbunden und rufen individuelle und
gemeinschaftliche Bilder, Worte, Empfindungen auf. Es gibt unzählige
Romane über die deutsche Wende- und Nachwendezeit aber ich habe
bisher kein Buch, keinen Film entdeckt, der nur „1989“ heißt.
Ok, es gibt ein Musikalbum mit diesem Titel aber da wurde das
Gabrurtsjahr der Sängerin zum Albumtitel. Für Wirbel hat 2009 auch
das Endzeitepos „2012“ gesorgt. Vielleicht wird es auch irgendwann
einen Roman oder Film oder eine Serie mit dem Titel „2020“ geben.
Das Jahr 2020? Wisst ihr noch?
Yana Arlt
„Soldaten!
Alle! / Entblößt Eure Narben auf den Marktplätzen. / Reißt Eure
Wunden auf. / Hebt Eure Krücken, Kriegskrüppel, in den belebtesten
Gassen. / Kriegsblinde, Eure leeren Augenhöhlen. / Kriegskranke,
zeigt Eure Schwären öffentlich. / Eure Hungerleiber, Heimkrieger. /
Bräute, Witwen, Mütter, / Tragt Eure Tränen aus Euren Kammern in
die lauten Städte. / Haltet sie sichtbar hoch, Eure verwaisten
Kinder. / Liebe zum Vaterland? / Antwortet den höllischen Versuchern
mit der ganzen Wahrheit: / Öffnet Euch, Erde und Meergrund. / All
Ihr Hingemetzelten, Zerrissenen, Vergifteten, Vermissten, Gefangenen:
/ Steigt quälend auf. / Ein warnendes Gewissen unserm wachen Tag. /
Ein drückender Alp unseren Nachtträumen. / Vaterland ist ein
tönendes Erz. / Und der Tod fürs Vaterland eine klingene Schelle. /
Und Ihr, all Ihr in Tränen und Elend Überlebenden. / Bekennt: /
Lieben werden wir Eure Feinde. / Ihr wollt uns dafür erschießen?
...“
Aus „An Alle“, Diese Gedichte, geschrieben in den
Schützengräben des 1. Weltkriegs, gehören zu den wichtigsten &
ergreifendsten Texten gegen den Krieg.
Oskar Kanehl, Die Schande. Gedichte eines
dienstpflichtigen Soldaten aus der Mordsaison 1914-18
zum
Buch