Ich vertiefe mich in eine Biographie … nur ein paar Zeilen in der Broschüre „Margo und Günther Wendt ~ Lebenslinien“, veröffentlicht 2008 anlässlich der Ausstellung zum 100. Geburtstag von Margo Wendt (* 29. Mai 1907) und Günther Wendt (* 20. Januar 1908). Die kurze Zusammenfassung kann nur erahnen lassen, wie viel Leid und hoffentlich auch Freude ein Menschenleben von fast 71 Jahren beinhaltet. 10 Jahre davon verbrachte Margo Wendt in einem russischen Straflager, da hatte sie bereits 2 Töchter und 2 Söhne geboren, die die 39-jährige Mutter, Ehefrau und Künstlerin in Deutschland zurück lassen musste... aber die Schicksalsgöttinnen spinnen weiter an Margos Lebensfaden, der Fasern der Schöpferischen, der Künstlerin eingesponnen bekommt … Fotografie, Kostüme, Requisiten, Malerei, Drucktechniken … ich blättere in dem gerade einmal 32 Seiten starken Heft, in dem 9 Bilder von Margo Wendt zu sehen sind. Ich träume mich in die Monotypien „Kasachin“, „Mutter“ und „Sonnenblumenkernesserin“ hinein. Ich denke an Künstler und wie sie schwere Schicksalsschläge und Welten in Schieflage darstellten, wie sie Gewalt, Zerstörung, Leid und Schmerz zu ergründen und wiederzugeben versuchen. Pablo Picasso malte in Öl „Guernica“, Francisco de Goya führte in 82 Grafiken die „Desastres de la Guerra“/ „Die Schrecken des Krieges“ aus. Dergleichen soll es bei Margo Wendt nicht gegeben haben. Verarbeiten Künstlerinnen leidvolle Themen anders als Männer? Unterdrückung, Terror, Einschüchterung, Misshandlung, Grausamkeit … es gibt hunderte Bilder im Internet, in der Zeitung vom aktuellen Weltgeschehen, in Dokumentationen, Berichten, Filmen leben die Vergehen an Menschen, gegen die Menschlichkeit aus den vergangenen Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten wieder auf. Wie gehen wir damit um? Kann uns Kunst eine Möglichkeit geben, anzunehmen, zu verstehen, zu vergessen, zu erinnern?
»Es ist genug gestorben! Keiner darf mehr fallen! Ich berufe mich gegen Richard Dehmel auf einen Größeren [Goethe], welcher sagte: ›Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden‹.«
Käthe
Kollwitz
Textquelle: www.kollwitz.de