So vieles inspiriert mich derzeit zu
eigenen Versen, zum Kunst machen und doch ist ein großes Problem:
Wann soll ich die Ideen ausführen? Wann habe ich genug Zeit, um mich
in ein Thema zu vertiefen, eigene Gedanken und (Wort)Bilder wie die
Keimlinge und Schößlinge auf meinen Gemüsebeeten zu pflegen. Auch
die Samen der Inspiration müssen gegossen werden, die unerwünschten
„Beikräuter“ müssen entfernt werden, damit die schöpferische
Kraft ganz in die zarten Spitzen und Wurzeln eindringen kann.
So
ist es derzeit auch mit Begegnungen – ich möchte Zeit haben für
die Menschen, für die Gespräche und auch das gemeinsame Schweigen,
z.B. mit einem Becher Kaffee unter einem blühenden Kirschbaum zu
sitzen und zu schauen, in welchen Becher zuerst ein Blütenblatt
fällt und sich dann etwas zu wünschen. Ich möchte Zeit haben. Der
helle Teil des Tages ist derzeit länger als der dunkle, da müsste
ich doch Zeit haben, um neben der LandArt auch noch den Garten zu
gestalten und auch noch mit wunderbaren Menschen am Feuer zu sitzen,
in der eisernen Pfanne brutzeln Kartoffel- und Pastinakenscheiben,
die mit einem Griff nach hinten gleich ein paar Bärlauchblättchen
zur Würze beigemengt bekommen. Work-Life-Balance. Das Wort habe ich
nie verstanden. Ist nun das mühsame Ziehen der Labyrinthlinien in
den Kirchenvorplatz und das Auffüllen mit Sand, den ich Schippchen
für Schippchen erst eingeladen und dann wieder ausgebracht habe
Arbeit oder Leben. Ist die Beantwortung der E-Mail eines Künstlers,
der zu den Tagen des offenen Buches kommt und noch letzte Fragen hat
Arbeit oder Leben? Ist das Kaffeekochen für Gäste des Tages des
offenen Ateliers Arbeit und der Genuss des Morgenkaffees auf der
Gartenbank Leben? Ist die Erstellung und der Druck meines Kalenders
2024 Leben und die Erstellung und der Druck eines
Veranstaltungsplakats Arbeit?
Wie hat es wohl Mina Witkojc
gehalten, die niedersorbische Dichterin, deren 130ten Geburtstag wir
am 28. Mai begehen, war auch Dienstmädchen, Tagelöhnerin,
Angestellte in einem Gärtnereibetrieb, Mitarbeiterin der Domowina*,
Zeitungsredakteurin ~ Wie genau ihr Tag gestaltet war, weiß ich
nicht aber sie empfand eine tiefe Verbundenheit mit der Natur, die
sich in ihren Versen wiederspiegelt. Diese war also ganz sicher als
Blumenbinderin Teil ihrer Arbeit aber als Lyrikerin Teil ihres
Lebens.Oder ist das Schreiben von Versen
Arbeit? So bezeichnete es zumindest Wolfgang Wache einmal in einem
seiner Gedichte.
Yana Arlt
Mina Witkojc
In
der Nacht vor dem ersten Mai
~
Übersetzung von Kito Lorenc „Mina Witkojc, Eine sorbische
Dichterin“ Rat der Stadt Cottbus 1976
[…]
Laßt
Freude uns schenkend empfangen
zeit dieses Lebens nur,
und nach
uns geh, wo wir gegangen,
eine maigrüne Blütenspur.
Do maja
(1925)
[…]
A
wjasołosć
rozdawaś
tuder
my comy w cas žywjeńskich
lĕt:
Daś
za nami ceri se wšuder
jan zeleny, kwiśecy slĕd.
*
„Die Domowina ist ein politisch unabhängiger und
selbstständiger Bund der Sorben/Wenden (im Weiteren Sorben) und
Dachverband sorbischer Vereine der Ober- und Niederlausitz.“
(Textquelle: https://www.domowina.de/start)