Freitag, 8. Februar 2019

Eva Strittmatter

* 8. Februar 1930


Anbeginn


Mein Leben setzt sich zusammen:
Ein Tag wie dieser. Ein anderer Tag.
Glut und Asche und Flammen.
Nichts gibt es, was ich beklag.

Früher habe ich so gefühlt:
Irgendwas Großes wird sein.
Inzwischen bin ich abgekühlt:
Es geht auch klein bei klein.

Was soll schon Großes kommen?
Man steht auf, man legt sich hin.
Auseinandergenommen,
Verlieren die Dinge den Sinn.

Doch manchmal sind solche Stunden
Von Freiheit vermischt mit Wind.
Da bin ich ungebunden
Und möglich wie als Kind.

Und alles ist noch innen
In mir und unverletzt.
Und ich fühle: gleich wird es beginnen,
Das
Wunder kommt hier und jetzt.

Was es sein soll? Ich kann es nicht sagen
Und ich weiß auch:
das gibt es gar nicht.
Aber plötzlich ist hinter den Tagen
Noch Zukunft ohne Pflicht.

Und frei von Furcht und Hoffen
Und also frei von Zeit.
Und alle Wege sind offen.
Und alle Wege gehn weit.

Und alles kann ich noch werden,
Was ich nicht geworden bin.
Und zwischen Himmeln und Erden
Ist wieder
Anbeginn.

Eva Strittmatters Gedichte HÖREN  
(Lutz Görner 200-teilige Reihe "Lyrik für Alle")