Montagmorgen
In den Nachrichten:
„Lauterbach: 'Explosionsartiger' Anstieg Pflegebedürftiger“
Am
See: Jemand drängelt sich auf einer Treppe mit seinem Hund
vorbei.
Im E-Mail-Posteingang: „So bereiten sich Kommunen auf
den Kriegsfall vor“
Am Telefon: „Danke für die
Genesungswünsche, ich muss jetzt auf die Auswertung der Blutwerte
warten.“
An der Tür: „Ich bringe hier die Unterlagen, die mir
die Schwestern von P. gegeben haben, als sie seine Wohnung
ausräumten.“
Am Tisch: „In der DDR gab es
Zivilschutzmaßnahmen...“
Im Internet: „Sirenen:
Bundesinnenministerium will Programm fortführen“
Krise –
Krieg – Katastrophe
Eine mittlerweile „ganz normale“
Informationskette an einem ganz normalen Morgen. Alles prasselt
ungefiltert in Ohren, Augen, Nase und auf die Haut. In mir sammeln
sich die Sinneseindrücke zu einem Knaul. Warum noch weitermachen?
Was auch immer du tust, warum, wofür? Manchmal, so scheint es,
erkämpft man sich ein paar Augenblicke des Friedens. Loslassen.
Fließen lassen. Vorbei fließen lassen. Die beste Reaktion ist keine
Reaktion. Warum tut jemand das, was er tut? Warum sagt jemand das was
er sagt, wie er es sagt? Gibt es noch ein Bewusstsein für Wirkung
und Bedeutung, für Folgen und Konsequenzen? Wenn wir uns alle
ausrichten würden auf: Wir sitzen alle im selben Boot. Wir leben
alle auf dem selben Planeten. Wenn wir die Ähnlichkeiten und
Gleichheiten wahrnehmen würden und uns daran erinnerten, dass wir
alle aus der selben Ursuppe heraus in verschiedene Schüsseln und
Teller verteilt wurden. Welche Form und Farbe hat dein Teller? Hast
du jemals Ambitionen gehabt, über den Rand hinaus zu sehen? Macht
dir die Begrenztheit von Zeit, Raum, Möglichkeiten, Formen Angst
oder eher die Freiheit und Unermesslichkeit jenseits von Rändern,
Grenzen, Markierungen und Rahmen? Wärst du gern jemand anderes? Wie
befriedet bist du mit deinem Körper, deinem Geist, deiner Psyche,
deiner Herkunft, deinem Lebensumfeld, deiner Arbeit, deinen
KollegInnen? Welche Krisen, Kriege, Katastrophen bewältigst du
täglich? Hast du die Kraft für noch eine Nachricht, noch eine
Konfrontation, noch eine Respektlosigkeit, noch eine Meldung, noch
eine Schlacht?
Yana Arlt
Alle
Grenzen sind künstlich
Ich bin umgeben von einer gefüllten
Stille.
Gott geht nicht mehr ein und aus.
Er spricht nicht
und schweigt nicht.
Weder richtet noch begnadigt er.
Er ist
nicht innen oder außen.
Er ist nicht menschlich oder göttlich.
Ich weiß nichts und bin doch nicht unwissend.
Ich bin weder
frei noch gefangen.
Ich besitze nichts und bin doch reich.
Ich
bin nicht schuldig und nicht unschuldig.
Ich bin erfüllt mit der
Stille und merke das Ende der Worte.
Alle Grenzen sind
künstlich.
©
Ulrich Schaffer
Textquelle: www.aphorismen.de