Montag, 27. Mai 2024

Inspirieren lassen ~ Grenzen

Montagmorgen
In den Nachrichten: „Lauterbach: 'Explosionsartiger' Anstieg Pflegebedürftiger“
Am See: Jemand drängelt sich auf einer Treppe mit seinem Hund vorbei.
Im E-Mail-Posteingang: „So bereiten sich Kommunen auf den Kriegsfall vor“
Am Telefon: „Danke für die Genesungswünsche, ich muss jetzt auf die Auswertung der Blutwerte warten.“
An der Tür: „Ich bringe hier die Unterlagen, die mir die Schwestern von P. gegeben haben, als sie seine Wohnung ausräumten.“
Am Tisch: „In der DDR gab es Zivilschutzmaßnahmen...“
Im Internet: „Sirenen: Bundesinnenministerium will Programm fortführen“
Krise – Krieg – Katastrophe
Eine mittlerweile „ganz normale“ Informationskette an einem ganz normalen Morgen. Alles prasselt ungefiltert in Ohren, Augen, Nase und auf die Haut. In mir sammeln sich die Sinneseindrücke zu einem Knaul. Warum noch weitermachen? Was auch immer du tust, warum, wofür? Manchmal, so scheint es, erkämpft man sich ein paar Augenblicke des Friedens. Loslassen. Fließen lassen. Vorbei fließen lassen. Die beste Reaktion ist keine Reaktion. Warum tut jemand das, was er tut? Warum sagt jemand das was er sagt, wie er es sagt? Gibt es noch ein Bewusstsein für Wirkung und Bedeutung, für Folgen und Konsequenzen? Wenn wir uns alle ausrichten würden auf: Wir sitzen alle im selben Boot. Wir leben alle auf dem selben Planeten. Wenn wir die Ähnlichkeiten und Gleichheiten wahrnehmen würden und uns daran erinnerten, dass wir alle aus der selben Ursuppe heraus in verschiedene Schüsseln und Teller verteilt wurden. Welche Form und Farbe hat dein Teller? Hast du jemals Ambitionen gehabt, über den Rand hinaus zu sehen? Macht dir die Begrenztheit von Zeit, Raum, Möglichkeiten, Formen Angst oder eher die Freiheit und Unermesslichkeit jenseits von Rändern, Grenzen, Markierungen und Rahmen? Wärst du gern jemand anderes? Wie befriedet bist du mit deinem Körper, deinem Geist, deiner Psyche, deiner Herkunft, deinem Lebensumfeld, deiner Arbeit, deinen KollegInnen? Welche Krisen, Kriege, Katastrophen bewältigst du täglich? Hast du die Kraft für noch eine Nachricht, noch eine Konfrontation, noch eine Respektlosigkeit, noch eine Meldung, noch eine Schlacht?

Yana Arlt


Alle Grenzen sind künstlich
Ich bin umgeben von einer gefüllten Stille.
Gott geht nicht mehr ein und aus.
Er spricht nicht und schweigt nicht.
Weder richtet noch begnadigt er.
Er ist nicht innen oder außen.
Er ist nicht menschlich oder göttlich.

Ich weiß nichts und bin doch nicht unwissend.
Ich bin weder frei noch gefangen.
Ich besitze nichts und bin doch reich.
Ich bin nicht schuldig und nicht unschuldig.
Ich bin erfüllt mit der Stille und merke das Ende der Worte.

Alle Grenzen sind künstlich.


© Ulrich Schaffer
Textquelle: www.aphorismen.de