Man kennt sie als Poetin, man kennt sie als Liedermacherin, einige kennen sie als Lehrerin, man kennt sie als Engagierte für Kunst, für Kultur und für ihre Stadt, einige kennen sie bereits als zertifizierte Gästeführerin des Lausitzer Seenlandes. Was vielleicht nur wenige wissen ist, dass sie Diplom Bauingeneurin ist und in den 90-er Jahren mit dem Thema ihrer Diplomarbeit auf unverständige Ohren traf. Das Männergremium war nicht davon überzeugt, dass eine Frau solch weitreichende Gedanken und Analysen aufs Papier bringen kann. Die Begeisterung für Architektur und ihr reges Interesse an Wohnkultur sind Konstanze Niemz während der dreistündigen Führung durch 7 der 9 noch bestehenden Wohnkomplexe der Hoyerswerdaer Neustadt anzumerken. 5 Teilnehmer hatten sich am Bahnhof Hoyerswerda-Neustadt am Sonntagvormittag zusammengefunden, eingeladen hatte sie aber auch die Stadträte, die derzeit über mehrere Projekte des Stadtbauwesens beraten und zu entscheiden haben. Wie sieht die Zukunft von Hoyerswerda aus? In den 1950-er Jahren stellte man sich die selbe Frage, das Kraftwerk „Schwarze Pumpe“, 15 km entfernt von der damaligen, 12.000 Einwohner zählenden Stadt brauchte Wohnungen für die künftigen Arbeiter. Man machte große Pläne, erbaute eigens ein Stahlbetonwerk, in dem Elemente für den Bau der Zwei- bis Elfgeschosser hergestellt wurden. Bei jedem neuen Wohnkomplex, der entstand, lernten Planer, Architekten und Ausführende dazu und so sind bis 1990 10 sehr unterschiedliche entstanden. „In Hoyerswerda wohnen ist nicht in Hoyerswerda wohnen“, meint Konstanze Niemz, die selbst überrascht war, während ihrer Recherchen so unterschiedliche Bauweisen zu entdecken. Es gibt die Großblockbauweise und die Plattenbauweise und noch so viele technische und soziale Besonderheiten, dass man sich unentwegt Notizen machen müsste, um sich alles merken zu können. Ein unerschöpflicher Fundus an Informationen kommen der Gästeführerin über die Lippen, sie liest nicht ab, hat das alles im Kopf gespeichert und kann während der Führung nur einen Bruchteil vermitteln. Von Hoyerswerda reichen feine Fäden in alle Welt. Auch bis nach Senftenberg und bis nach Sansibar. Die Mitspazierenden teilen ihre Erinnerungen aber auch ihre Sorge um die Zukunft der Stadt, in der Spielplätze, Schulen, ehemalige Kaufhallen und frühere exclusive Gaststätten wie die „Libelle“ neben kastenähnlichen, eingezäunten, videoüberwachten Eigenheimsiedlungen verwaisen. Nach und nach werden Wohnblöcke rückgebaut, die Stadt schrumpft. Ein Vorgang, der in den 1950er und 1960er Jahren, in der Zeit der Euphorie und des Aufschwungs undenkbar gewesen wäre. Schattenseiten und Zweifel an den Expansionsprognosen und der glänzenden Fassade äußerten Künstler wie Brigitte Reimann, Siegfried Pitschmann und Gerhard Gundermann in ihren Texten. Überhaupt gibt es in einer Stadt, die lebendig und im ständigen Wandlungsprozess ist auch immer eine rege Kunst- und Kulturszene. Neben Schriftstellern, Liedermachern und Musiker sind das auch Maler und Bildhauer. Überall sind Werke von Jürgen von Woyski und Werke anderer KünstlerInnen der Bildhauersymposien zu entdecken. „Hoyerswerda“, so stellt es Konstanze Niemz fest, „ist ein lebendiges Baumuseum unter freiem Himmel.“ Ihre Augen leuchten bei diesen Worten und man weiß, sie hat noch viel mehr zu erzählen über ihre Heimatstadt Hoyerswerda.
Yana Arlt