Montag, 6. Oktober 2025

Inspirieren lassen ~ Voller Leben

 

Für gewöhnlich bezeichnet man den Oktober auch als den goldenen Monat – nicht unbedingt weil die meisten Lottogewinne in diesen 31-tägigen Zeitraum fallen (aber Moment, gibt es eine Statistik darüber, die es womöglich sogar bestätigen würde?) - sondern wegen des abgebauten Chlorophylls in den Blättern der Laubbäume und Sträucher, so dass nur das Gelb und das Rot sich einige Zeit halten kann, bevor das „buntgefärbte“ Blatt sich vom Zweig löst und zur Erde segelt. Auch letzte sonnenreiche, warme Herbsttage gibt es im Oktober, doch mit der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November treten wir ein in die Wochen der Nebel, kalten Winde und sogar erster Schneefälle, die sich auf den Wegen schnell zu grauem Matsch wandeln. Warum also fand am vergangenen Sonntag die Führung zum Thema Baumbestand und besondere Grabanlagen auf dem „Alten Friedhof“ Senftenberg statt? Vielleicht, weil man die Linde anhand der noch sichtbaren Blätter als Winterlinde erkennen und die Teerflecken auf den Ahornblättern zeigen kann? Zwischen Esche und Sandstein, Platane und Eichenlaubrelief, urinsäuregeschädigten Baumstämmen und Marmoreinfassung, Sonnennekrosen und Bibelzitaten waren die 3 Stunden Veranstaltungsdauer keineswegs zu lang angesetzt, was ich zuerst wirklich dachte. Was verbindend an beiden Führungen war, sind die Geschichten, die uns jeder Baum und jeder Grabstein erzählt. Manches wird erst offenbar durch gründliche, aufwändige Recherche, durch Fachwissen und Erfahrung. Wird man aus einem Alten Friedhof wirklich einen Stadtpark machen können? Wie lange wird es dauern, bis niemand mehr von der einstigen Nutzung des Areals etwas wissen wird? Wird es in 50 oder 200 Jahren noch jemanden geben, der zu Namen recherchiert oder Auskunft geben kann? Wird der Baum, der bereits im Plan, erstellt vor 100 Jahren, verzeichnet ist, auch noch weitere Jahre/Jahrzehnte stehen bleiben? In der Stadt, so der Fachmann geht man von einer Lebensspanne von 60 Jahren aus, Grund ist auch die zunehmende Versiegelung von Flächen, Bäume haben zu wenig Platz.
Wir beginnen den Rundgang bei einer Esche. Im Keltischen Baumhoroskop werden Charakteristika der Bäume, also z.B. von Fraxinus excelsior den Menschen ebenfalls zugeschrieben, die in den Zeiträumen 25. Mai bis 3. Juni oder 22. November bis 1. Dezember geboren wurden. Sie sind zukunftsorientiert, idealistisch, freiheitsliebend, anspruchsvoll, wissbegierig, lieben Herausforderungen, sind neugierig und besitzen eine innere Gelassenheit.
Tanne, Ulme, Zypresse, Pappel, Zeder, Kiefer, Weide, Linde, Eiche, Olive, Haselnuss, Eberesche, Ahorn, Nussbaum, Eibe, Kastanie, Esche, Hainbuche, Feige, Birke, Apfelbaum, Buche sind weitere Bäume, die im Baumhoroskop aufgeführt werden. Dabei klingt der Name „Keltisches Baumhoroskop“ wie ein alter Wissensschatz unserer Urururahnen. Tatsächlich wurde es im Zuge des Neopaganismus' Ende der 1940-er Jahre vom Schriftsteller Robert Graves entwickelt, aber es ist eine Tatsache, dass Menschen seit Urzeiten eng mit der Natur verbunden sind. Ob nun Sternenkunde, Heilkunde, Landwirtschaft, Wetterkunde, Gartenbau... die Grundlage unseres Lebens ist die Natur, die uns umgibt, der Rhythmus der Tag- und Nachtzeiten und der Jahreszeiten prägt unser Verhalten und unser Befinden. Stell dir vor, du hast am 16. Dezember Geburtstag, dann wärst du ein Feigenbaum – also Sensibel, emotional, überempfindlich, unsicher, Angst in der Liebe verletzt zu werden. Wie sieht es aus mit dem 11. August? Erkennst du dich als Pappel in: vernünftig, weitsichtig, ordnungsliebend, unruhig, schwankend zwischen Extremen, auch in der Liebe – wieder? Es ist wie mit allen Horoskopen, es macht dir Vorschläge, es führt dich auf Wege, die du selbst vielleicht nicht beschritten hättest, konfrontiert dich möglicherweise doch mit dem ein oder anderen Zug, den du gern an dir selbst leugnest. Aber es wäre doch schön, wenn man, am 24. September geboren, an einer Haselnuss vorbeifährt und weiß: das ist auch ein Teil von mir und ja, ich bin ehrgeizig, charmant, gesellig, harmoniebedürftig, zuweilen launisch und zärtlich in der Liebe. Und vielleicht versteht man dann auch, warum man sich zu diesem einen Baum hingezogen fühlt, warum man den Lindenduft so liebt oder sich jedes Jahr für die leuchtend roten Früchte der Eibe begeistert, warum man gerade in diesem Haus wohnt, vor dem eine Birke steht oder über jede Kastanie in Entzücken gerät. Auf alten Friedhöfen sind verschiedenste Baumarten zu entdecken und neben den verwitterten Grabsteinen haben auch sie so viele Geschichten zu erzählen.

Yana Arlt

Paul Barsch

Der alte Friedhof


Verfallener Friedhof, am einsamen Ort,
Nun geht der Pflug bald über dich fort.
Noch hüllen mit traulichem Dämmerschein
Die alten Linden dich friedlich ein.

Verwitterte Steine nur ragen auf,
Wo die Hügel versanken im Zeitenlauf.
Und alles umwuchert Gras und Strauch,
Und drüber weht des Vergessens Hauch.

Ein einziges Grab ist an diesem Ort,
Drauf blühen die Veilchen und Rosen noch fort.
Wenn Lenzluft weht um dieses Grab,
Wankt her ein Mütterlein am Stab.
Sie trauert noch dem Einen nach,
Der einst das junge Herz ihr brach.

 

Textquelle: aphorismen.de