Werte Virginia Woolf,
heute ist der 27. März im Jahr 2025.
Es war kein spontaner Entschluss, morgens mit dem Rad um den Senftenberger See zu fahren; es war auch nicht aus einem momentanen Impuls heraus, dass ich im See einige Schwimmzüge machte, schließlich hatte ich ein Badetuch auf den Gepäckträger geschnallt. Die Außentemperatur der Luft betrug 5°C, ich hatte die Kälte unterschätzt und hatte nur eine leichte Jacke übergezogen. Wie viel Grad die Wassertemperatur betrug, weiß ich nicht, zumindest waren die Uferbereiche eisfrei - nicht wie in der vergangenen Woche am Dienstag, 18. März bei -6°C. Ich fröstelte heute morgen aber die Bewegung auf dem Rad mit leichter Steigung in Richtung Großkoschen, erwärmten mich ein wenig. Ich hatte im morgendlichen Dunkel die falschen Handschuhe gegriffen, hatte aber mit dem dicken Schal mit eingestricktem Kapuzenteil die richtige Wahl getroffen.
Ich genieße jedes Mal die Anstrengung der Radfahrt und den Endorphin- und Dopaminschub nachdem ich im kalten Wasser war, die Ruhe auf den wenig befahrenen Streckenabschnitten, die Schlucke warmen Kaffees oder Tees aus dem Thermosbecher, die Rückkehr in das beheizte Zimmer, der Wechsel der an Rücken und Achseln schweißnassen Kleidung gegen trockene, das langsame Aufwärmen der Zehen, zwischen denen ich erst dann die Reste feinen Strandsandes spüre. Nichts darf zu viel sein aber auch nicht zu wenig, nicht zu lang und nicht zu kurz. Ich bereite mich gut vor und mache die Touren, wenn ich es mir zutraue. Man darf nicht zögerlich sein oder Bedenken haben.
Morgen ist der 28. März - ein Freitag.
Eine brilliante Denkerin, Schriftstellerin und Publizistin; eine Tochter, Schwester, Ehefrau, Freundin; ein misshandeltes Kind, ein missbrauchtes Mädchen; ein traumatisierter, depressiver Mensch; eine gute Schwimmerin steckte sich Steine in die Manteltasche und beschritt am 28. März 1941, einem Freitag, ihren letzten Weg ... in den strömenden Fluss Ouse ... ihre Leiche fand man 20 Tage später, am 18. April.
Yana Arlt, Notat 27. März 2025
Es
ist seltsam, daß man Gärtner, die fegen, nicht innehalten machen
und eine schreibende Dame nicht von ihrem Platz rücken kann. Sie
sind mein Leben lang dort geblieben. Es ist so, als wäre man in
Stonehenge erwacht, umgeben von einem Kreis uralter riesiger
Druidensteine, dieser Feinde, dieser geisterhaften
Anwesenheiten.
Virigina Woolf
aus „Die
Wellen“
Fischer Taschenbuch
Verlag, März 1988
Übersetzung von Herberth und Marlys
Herlitschka