Montag, 15. Januar 2024

Inspirieren lassen ~ Karriere Kerben Kriege

Immer wieder bin ich erstaunt, wie sehr Biographien vom Weltgeschehen beeinflusst werden. Besonders trifft das scheinbar auch auf Künstlerlebenswege zu. Da sitze ich auf der Couch und schaue mir „Einzelgänger und Außenseiter / Lyonel Feininger zwischen den Welten“ auf „arte“ an. Ja, natürlich sagt mir dieser Name etwas und auch Bilder habe ich vor meinem inneren Auge, wenn ich seinen Namen lese oder höre aber über sein Leben wusste ich bis dahin nicht viel. Leider sind die Geburtsjahrgänge Ende 19. Jahrhundert und Anfang 20. Jahrhundert mit ihrer ganzen Lebensfreude und Schaffenskraft von zwei Weltkriegen gehemmt, ausgebremst und zerstört worden. Bei Ausbruch des (Ersten) Weltkrieges war Lyonel Feininger 43 Jahre alt, der Maler Franz Marc 34 Jahre, die Bildhauerin und Malerin Clara Westhoff [Rilke] 37 Jahre, die Dichterin Else Lasker Schüler 45 Jahre, die Schriftstellerin und Journalistin Claire Goll 24 Jahre, die Schriftstellerin und Malerin Paula Ludwig gerade einmal 14 Jahre. In ihrer aller Leben schlug der Krieg eine heftige Kerbe, schlug Wunden, die nie wieder heilen sollten. So mancher betrachtet Kriege als Stimulanz für medizinische, naturwissenschaftliche und möglicherweise künstlerische Entwicklungen. Andere, wie Theodor W. Adorno, schreiben: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch.“ siehe dazu: Wikipedia
Für das Jahr 2022 zählt das UCDP [Uppsala Conflict Data Program] 55 verschiedene Konflikte mit staatlicher Beteiligung, von denen acht die Intensitätsstufe eines Krieges erreicht haben. In manchen Staaten herrschen zudem zeitgleich mehrere Konflikte. Rechnet man nicht-staatliche Konflikte etwa zwischen Rebellengruppen oder rivalisierenden Drogenkartellen in Mexiko hinzu, sind es insgesamt 82 Konflikte. Nicht nur die Zahl der Konflikte nimmt zu, sondern auch deren Dauer.Textquelle: tagesschau Was heißt das für die - besonders jungen - Menschen in diesen Gebieten? Die Menschen, die gerade dabei sind, ihr Leben zu planen, die eine berufliche Orientierung suchen und experimentieren was und wer sie sein wollen. Wie leben die Menschen mit den Bedrohungen für Leib, Leben, Werk und Träume? Es gibt Regionen, die existieren im Dauerstress – wie kann man da Frieden stiften? Und was geht mich das alles überhaupt an? Geht es mir besser, kann ich mich von den bedrückenden Nachrichten und Informationen frei machen oder zumindest besser damit umgehen, wenn ich detailierter Bescheid weiß? siehe dazu: https://www.friedensbildung-bw.de/aktuelle-konflikte Jeder Konflikt – vom „schiefen Blick“ und verletzendem Wort bis zum Drohnenflug und Raketenabwurf fordert Opfer, sie kosten uns den inneren und äußeren Frieden. Sie führen zu unheilbaren Verletzungen.

Yana Arlt


Marie Luise Kaschnitz (1901-1974)

Hiroshima

Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab
Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich
Auferstanden aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell, dass sich einer verbergen könnte
Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war
das nackte Vorstadthaus, die junge Frau im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe, der auf seinem Rücken saß
Und über seinem Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt


Textquelle: https://www.ev-akademiker.de/wp-content/uploads/Friede_wo_ist_deine_Heimat_dossier_21-33.pdf