Donnerstag, 30. Juni 2022

2.+3.JULI: deutsch - sorbisches KUNSTwochenende in Marga / 14 Uhr Benedikt Dyrlich

 

Mitwirkende vorgestellt

BENEDIKT DYRLICH

 

 

Benedikt Dyrlich, * 1950 in Worklecy/Räckelwitz (Sachsen), lebt in Dresden. Studium der Theologie in Erfurt und der Theaterwissenschaft in Leipzig, Dramaturg, Abgeordneter im Sächsischen Landtag, Chefredakteur der Serbske Nowiny. Schreibt Lyrik, Prosa und Kritiken sorbisch und deutsch. Autor bzw. Mitautor, Übersetzer und Herausgeber zahlreicher Sammlungen und Anthologien im In- und Ausland. Zuletzt erschienenen: Grüne Hasen dampfen ab, Pop-Verlag, Ludwigsburg 2018 und Leben im Zwiespalt – Erinnerungen, Bd. 1 und 2, Domowina Verlag, Bautzen 2018/2019. 2010 Sächsische Verfassungsmedaille, 2011 Ćišinski-Preis, 2019 Andreas Gryphius-Preis.

Über mein Schreiben
Im Kreis des Dichters Kito Lorenc fing ich mit 18 Jahren an, erste weltliche Texte (Gedichte und kleine Essays), die schon sorbisch vorlagen, „von einem Ufer auf ein anderes herüberzutragen“.
Und ich merkte, dass das gar nicht so einfach ist. Denn „die Ufer gleichen sich nicht, dazwischen liegt ein Strom, der treibt“.
Mit dem Schreiben empfand ich zunehmend, dass das Sorbische, welches wenige Menschen in meinem deutsch-slawischen Kulturraum beherrschten und beherrschen, ein Schatz ist, den zu bewahren mir allmählich zur Verpflichtung wurde, zu einem literarischen und zugleich politischen Gebot, welches mich bis heute im Alltag antreibt. Schon damals wurde mir bewusst, dass sprachliche Vielfalt mehr ist als ein „hohes Kulturgut“. Zwei- und Mehrsprachigkeit ermöglichen nicht nur herzliche Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, sie beflügeln Toleranz, den interkulturellen Austausch und eine Kompetenz, mit der Perspektivwechsel auf Gott und die Welt – und selbst auf die Sprache – mühelos vorgenommen werden können. Dieser Wert ermöglicht, sobald man ihn als solchen erkennt, Verständigung und Verständnis für sprachliche und weltanschauliche Minderheiten, auf heimische (autochthone) und hinzugezogene Volksgruppen.
Und noch etwas: Jede Sprache hat ihren eigenen Sound, eine eigene Landschaft, in der z. Bsp. Sand oder Wasser eine andere Wertung und Bedeutung haben kann als in einem anderen Sprachraum. Im Sorbischen sagt man z. Beispiel, wenn ich in eine Sackgasse gerate: Sym sej do slepeje hasy zaběžał, also: Ich habe mich in eine blinde Gasse verirrt.

Aus dem Essay “Leben in zwei Sprachen” in “Grüne Hasen Dampfen ab”, Pop-Verlag Ludwigsburg 2018