Montag, 20. September 2021

Das Autorenkollektiv Frei!Geist ruft auf: Schickt uns eure Texte!

In den letzten Jahren hat sich in unserer Gesellschaft schon einiges bewegt - marginalisierte und diskriminierte Gruppen können immer lautstärker auf Ungerechtigkeiten hinweisen und erhalten immer mehr Rückhalt aus der Bevölkerung (auch wenn wir von wirklichen Lösungen der Probleme noch weit entfernt sind). Nur eine Gruppe und ihre systematische Benachteiligung finden weiterhin medial so gut wie keine Beachtung: Menschen mit Behinderung.

Ob unzumutbare Beförderungsbedingungen für Menschen im Rollstuhl in Zügen und im öffentlichen Nahverkehr; ob die systematische Bereicherung an der Arbeitsleistung von Menschen in Behindertenwerkstätten, die nur einen Bruchteil des gesetzlichen Mindestlohns bekommen; ob behindertenfeindliche Gesetzesregelungen, die ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben schwer bis unmöglich machen; oder sogar menschenverachtende Denkmodelle, wenn beim schrecklichen Vierfachmord in einer Potsdamer Behinderteneinrichtung davon die Rede ist, die Bewohner hätten "erlöst" werden sollen - überall in unserer Gesellschaft wird Menschen, die aufgrund körperlicher oder geistiger Dispositionen nicht zur "Norm" gezählt werden, das Alltagsleben in jeder erdenklichen Weise schwer gemacht. Oft sind diese Mechanismen der Benachteiligung sogar schon so lange und tief verwurzelt, dass sie für Außenstehende praktisch unsichtbar sind.

Um dieser öffentlichen Unsichtbarkeit entgegenzutreten, ruft das Autorenkollektiv Frei!Geist zum Schreiben auf: Gesucht werden literarische Texte rund ums Thema des realen, tagtäglichen Ableismus* in Deutschland. Es dürfen, müssen aber keine autobiographischen Texte sein, es geht uns nur darum, dass die Menschen, die systematischen Ableismus immer und immer wieder am eigenen Leib erfahren müssen, das Podium bekommen, das sie verdienen und das dringend notwendig ist, um der bisher erschreckenderweise ausbleibenden Diskussion eine Grundlage zu geben.

Also schickt uns bis spätestens 31. Dezember 2021 eure Texte! Die literarische Form ist völlig freigestellt, ebenso der inhaltliche Ansatz - ob Essay, Aphorismen, Kurzgeschichten, Lyrik … ob Erfahrungsbericht oder fiktives Drama, Dystopie oder Utopie, schreckliche Erlebnisse oder wunderbare Zusammenhalterfahrungen … eurer Fantasie sollen keine Grenzen gesetzt werden. Nur zu umfangreich darf es nicht werden - maximal 20.000 Zeichen sollte ein einzelner Text umfassen. Und unveröffentlicht muss er sein.

Dies soll kein Wettbewerb im Konkurrenzsinne sein, denn jede Form von literarischer Verarbeitung der Realität hat ihren eigenen Wert; aber aufgrund des naturgegeben begrenzten Umfangs eines Buches wird es eine Auswahl an eingesendeten Texten geben müssen, die dann in einem Sammelband zum Thema veröffentlicht werden.

 

Mit den ausgewählten Texten soll es dann auch nach Möglichkeit Lesungen und Aktionen geben, dazu mehr zu gegebener Zeit.

Einsendungen, Fragen, Hinweise, Anmerkungen könnt ihr senden an: autorenkollektiv@gmx.de.

Wir freuen uns auf eure Texte! Für eine gemeinsame Welt! Für uns alle!

 

Das neue Symbol für Barrierefreiheit
wurde vom Accessible Icon Project unter
Leitung von Sara Hendren entwickelt
um das herkömmliche Rollstuhlsymbol
als Symbol für "Behindert" zu ersetzen.

 Text-Bild-Quelle: https://www.etikettenwissen.de/wiki/Symbol_f%C3%BCr_Barrierefreiheit

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~ ~ ~ ~ ~ ~   A B L E I S M U S   ~ ~ ~ ~ ~ ~

Ableismus ist das Fachwort für die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung ("Diskriminierung") wegen einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung oder aufgrund von Lernschwierigkeiten. Es ist also "Ableismus", wenn ein Mensch wegen einer bestimmten, oft äußerlich wahrnehmbaren Eigenschaft oder einer Fähigkeit – seinem "Behindertsein" – bewertet wird.

Das Wort kommt aus dem Englischen und klingt ähnlich wie "Rassismus". Das ist beabsichtigt. Es soll ja eine Form von Diskriminierung bezeichnen: so wie bei "Rassismus" die Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer "Rasse" (einer ethnischen Herkunft).

Eine Diskriminierung kann übrigens auch eine positive Äußerung sein. Zum Beispiel, wenn Menschen mit Behinderungen beim Erledigen von ganz alltäglichen Dingen immer wieder hören, wie toll es ist, dass sie das "schaffen". Jede*r würde es als unangenehm empfinden, wenn er/sie beispielsweise für das Öffnen einer Tür oder Haare kämmen "gelobt" werden würde.

Den Begriff Ableismus wird man in einem deutschen Gesetz zwar vergeblich suchen. Das gilt auch für die UN-BRK. Er steht aber stets in deren Hintergrund, in der UN-BRK etwa in Artikel 8 zur Bewusstseinsbildung.

Textquelle: https://www.teilhabeberatung.de/woerterbuch/ableismus