Dienstag, 11. August 2015

Mit besten Wünschen ~ für Alexander Kiensch



Alexander Kiensch ist der, der ruhig am Tisch sitzt, wenn mehrere Parallelgespräche geführt werden, wenn sich die Wortbeiträge zu einem Diskussionsthema überschlagen, wenn die Stimmen aus lauter Eifer ist Falsett umschlagen, wenn die Runde sprachlos und betroffen erstarrt… Alexander Kiensch ist der, der sich während der Schreibwerkstatt in einen Winkel zurückzieht, den keiner vorher bemerkt hat. Von dort beobachtet er – das tut ein Schreibender. Er sammelt Material für seine Geschichten – das tut ein Schreibender. In der heutigen Zeit, in der ein Künstler Entertainer, Manager, Promoter und noch vieles andere sein soll (zumindest wird es immer wieder so formuliert), sitzt Alexander Kiensch in stillen Ecken direkt an den Hauptschlagadern des Lebens. Die Beobachterposition entrückt ihn etwas der Geschäftigkeit. Mit seinen Formulierungen, seinen Sätzen macht er dann die unsichtbaren Fäden des gesellschaftlichen Gespinstes sichtbar. Sich heraus ziehen, den Wahnsinn distanziert betrachten und scharfsinnig analysieren, die zertrennten Teile wieder zu einem Ganzen zusammenfügen – das tut ein Schreibender. In seinen Geschichten, die 2012 unter dem Titel „Fragen ohne Antworten“ im verlag*wache wolfgang erschienen sind, ist die Ernte seiner Betrachtungen zu verkosten. Doch in seinem neuen Buch wird es ein mehrgängiges Menü mit allerlei Köstlichkeiten geben. In dieser Kurzprosa werden Ingredienzien vereint, die man vorher noch nie geschmeckt und gerochen hat. Alles ist dabei – die Süße, die Schärfe, die Bitternis, das Salzige des Lebens.
Wer Appetit bekommen hat, ist eingeladen zum Lausitzer Lyrikfestival 2015.
Am Freitag, 4. September 2015, setzt Alexander Kiensch gemeinsam mit den Autorenkollegen des „Autorenkreis Kornblume“ seine Idee einer Lesung zum Thema „Jahreszeiten“ um. Beginn ist 19:00 Uhr in Tenglers Buchhandlung.
Am Samstag, 5. September 2015, liest Alexander Kiensch während der Performance „Das schwarze Gold ist verbrannt“ im Zechensaal des Zechenhauses Brieske und unter dem Sternzelt in der Parkstraße 12, Brieske-Marga.

* * *

Für Anneliese

Einen Weltkrieg
hast du überlebt
aber du hast
viel mehr geleistet

Du bist in einem
geboren

Auferstanden aus Ruinen der Zeit
hast du
dein Leben gelebt
eines von Millionen

keine Romane verfasst
keine Stücke für Klavier komponiert
keine Revolution angezettelt
und doch
Geschichte geschrieben

„Familie“

von Tochter und Schwester
zu Mutter
Groß-
Urgroßmutter
hast gelacht
hast geschimpft
und den Kopf geschüttelt über den Blödsinn
den wir uns im Fernsehen ansahen

Du warst immer da
für drei Generationen
hast du von Anfang an dazu gehört

Vielleicht deswegen
wurdest du nicht immer behandelt
was man angemessen nennt
so
wie man den Felsen nicht würdigt
auf dem man steht
und aufs Meer hinaus sieht

Für mich
warst du ein Felsen
still, undurchdringlich
und doch mich lehrend
wie wertvoll es ist
wenn jemand
einfach da ist

Für mich
warst du ein Felsen
und wirst es immer sein



Alexander Kiensch schreibt hin und wieder auch Lyrik. Dieser Text ist ein Beitrag zu der Aktion "Wochenthema".




Alexander Kiensch liest auf dem Lyrikfest 2014 / Foto: Steffen Rasche