Alexander Kiensch ist der, der ruhig am Tisch sitzt, wenn
mehrere Parallelgespräche geführt werden, wenn sich die Wortbeiträge zu einem
Diskussionsthema überschlagen, wenn die Stimmen aus lauter Eifer ist Falsett
umschlagen, wenn die Runde sprachlos und betroffen erstarrt… Alexander Kiensch
ist der, der sich während der Schreibwerkstatt in einen Winkel zurückzieht, den
keiner vorher bemerkt hat. Von dort beobachtet er – das tut ein Schreibender.
Er sammelt Material für seine Geschichten – das tut ein Schreibender. In der
heutigen Zeit, in der ein Künstler Entertainer, Manager, Promoter und noch
vieles andere sein soll (zumindest wird es immer wieder so formuliert), sitzt
Alexander Kiensch in stillen Ecken direkt an den Hauptschlagadern des Lebens.
Die Beobachterposition entrückt ihn etwas der Geschäftigkeit. Mit seinen
Formulierungen, seinen Sätzen macht er dann die unsichtbaren Fäden des
gesellschaftlichen Gespinstes sichtbar. Sich heraus ziehen, den Wahnsinn
distanziert betrachten und scharfsinnig analysieren, die zertrennten Teile
wieder zu einem Ganzen zusammenfügen – das tut ein Schreibender. In seinen
Geschichten, die 2012 unter dem Titel „Fragen ohne Antworten“ im verlag*wache
wolfgang erschienen sind, ist die Ernte seiner Betrachtungen zu verkosten. Doch
in seinem neuen Buch wird es ein mehrgängiges Menü mit allerlei Köstlichkeiten
geben. In dieser Kurzprosa werden Ingredienzien vereint, die man vorher noch
nie geschmeckt und gerochen hat. Alles ist dabei – die Süße, die Schärfe, die
Bitternis, das Salzige des Lebens.
Wer Appetit bekommen hat, ist eingeladen zum Lausitzer
Lyrikfestival 2015.
Am Freitag, 4. September 2015, setzt Alexander Kiensch
gemeinsam mit den Autorenkollegen des „Autorenkreis Kornblume“ seine Idee einer
Lesung zum Thema „Jahreszeiten“ um. Beginn ist 19:00 Uhr in Tenglers
Buchhandlung.
Am Samstag, 5. September 2015, liest Alexander Kiensch
während der Performance „Das schwarze Gold ist verbrannt“ im Zechensaal des
Zechenhauses Brieske und unter dem Sternzelt in der Parkstraße 12, Brieske-Marga.
* * *
Für Anneliese
Einen
Weltkrieg
hast
du überlebt
aber
du hast
viel
mehr geleistet
Du
bist in einem
geboren
Auferstanden
aus Ruinen der Zeit
hast
du
dein
Leben gelebt
eines
von Millionen
keine
Romane verfasst
keine
Stücke für Klavier komponiert
keine
Revolution angezettelt
und
doch
Geschichte
geschrieben
„Familie“
von
Tochter und Schwester
zu
Mutter
Groß-
Urgroßmutter
hast
gelacht
hast
geschimpft
und
den Kopf geschüttelt über den Blödsinn
den
wir uns im Fernsehen ansahen
Du
warst immer da
für
drei Generationen
hast
du von Anfang an dazu gehört
Vielleicht
deswegen
wurdest
du nicht immer behandelt
was
man angemessen nennt
so
wie
man den Felsen nicht würdigt
auf
dem man steht
und
aufs Meer hinaus sieht
Für
mich
warst
du ein Felsen
still,
undurchdringlich
und
doch mich lehrend
wie
wertvoll es ist
wenn
jemand
einfach
da ist
Für
mich
warst
du ein Felsen
und
wirst es immer sein
Alexander Kiensch schreibt hin und wieder auch Lyrik. Dieser Text ist ein Beitrag zu der Aktion "Wochenthema".
Alexander Kiensch liest auf dem Lyrikfest 2014 / Foto: Steffen Rasche |