Mittwoch, 17. Juni 2015

Mit besten Wünschen ~ für Bettine Reichelt

Zur "Rallye Monte Mostrich" müssen die Schüler an den jeweiligen Stationen auf Fragen antworten und sich Stempel abholen. Zum dritten Mal war in diesem Jahr das Nachwuchs-Literatur-Zentrum "Ich schreibe!" mit dabei und an der NLZ-Station lautete eine Frage "Heute, am 6. Mai 2015 finden Veranstaltungen zu den 2. Schüler-LITERATUR-Tagen in Senftenberg statt. Wer war im vergangenen Jahr mit seinem Mitmachprogramm „Hutzelbrutzel“ der Gastautor/in?" Man mag jetzt denken - ist ja ganz einfach, da schaue ich einfach auf das Plakat der Schüler-LITERATUR-Tage, das hier vor mir liegt und schreibe ab. Zwischen den Stuhlreihen lag an diesem Vormittag jedoch das Plakat von 2015 und da stand Bettine Reichelt drauf. Und wo Bettine Reichelt drauf steht, ist auch Bettine Reichelt drin. Die Theologin, Lektorin und Autorin aus Leipzig eröffnete mit ihren Rabengeschichten die Schüler-LITERATUR-Tage. Als Gastautor für die Lesungen in Bildungs- und Kultureinrichtungen Anfang Mai laden wir Autoren ein, die wir bereits zu den Lyrikfesten auf unserer Bühne stehen hatten. Nicht jeder Autor hat in seinem Repertoir auch Geschichten und Gedichte für Kinder und nicht jeder, der solche Texte schreiben kann, vermag sie auch gut an junge Zuhörer zu vermitteln. Die Wahrnehmungsweise von Kindern und Jugendlichen hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Es wäre unreflektiert, wenn man behaupten würde, dass das nur an dem Umgang mit neuen Medien liegen würde. Könnte nicht ein Grund für die Fixierung auf Tablet, Handy & Co sein, dass in den Familien zunehmend Sprachlosigkeit herrscht, dass man sich einander nicht mehr zuhört, am Leben der Nächsten nicht mehr Anteil nimmt? Auch das Vorgelesen oder Erzählt bekommen von Geschichten und Märchen findet oft in institutionalisierten Veranstaltungen statt und ist immer seltener Bestandteil des Tagesablaufs. Hat man noch Zeit für "Spinnereien", guckt man noch in den Himmel und entdeckt in den Wolkenformationen Figuren, hört man dem Lied einer Amsel zu, beobachtet man eine Elster wie sie Erdnüsse vom Fensterbrett stibitzt? Fabian Haas hat solche Momente mit der Kamera festgehalten, Bettine Reichelt vermittelt in ihren zugeordneten Texten Einblicke in die Lebenswelt der Rabenvögel, die mit unserer Welt verbunden ist - nur merken wir vieles von diesen Geschehnissen nicht. Was fordert alltäglich unsere Aufmerksamkeit, was fesselt uns, was begeistert uns, was motiviert uns? Vielleicht sind es diese Fragen, die Bettine Reichelt antreiben. Auf ihren Internetseiten nennt sie zuerst die Theologin, dann die Lektorin und erst an dritter Stelle kommt die Autorin. Steckt darin eine Wertung? Was ist der Mensch zuallererst? Über welche Zugehörigkeit deffinieren wir uns? Empfindet man sich als zugehörig, wenn man in den Zuhörerreihen bei einer Lesung sitzt oder wenn man in einem Nachmittagskurs der gemeinsamen Leidenschaft des Geschichten erspinnens und aufschreibens nachgeht oder wenn man in Internetforen hunderte Freunde hat und Links teilt oder wenn man im Kreis stehend gemeinsam das christliche Abendmahl feiert oder wenn am Nachmittag Zeit ist, sich gemeinsam ein Buch anzusehen und mit dem Helden mitzufiebern... Bettine Reichelt hat zu mehreren Kreisen Zugang und diese Kreise überschneiden sich an verschiedenen Stellen - allen gemein ist, dass sie ein waches, aufmerksames Umgehen mit den Geschöpfen der Welt(en) fordern und fördern. Das ist in der realen und der virtuellen Welt nicht verkehrt.



Der Schrei



Der Schrei des Raben, einsam vor fahlem Himmel.

Dabei sind sie doch immer gemeinsam, immer gemeinsam, die Rabenvögel.

Er aber, ein Einzelgänger vor fahlem Himmel. Ein Himmel so leer und

ungeborgen, dass noch nicht einmal er sich ihm anvertrauen würde.

Aber damit begann es. Mit diesem Schrei.

Dann flog er davon.


aus "Rabengeschichten" Bettine Reichelt und Fabian Haas (verlag*wache wolfgang)


Bettine Reichelt stellt das Buch "Rabengeschichten" während der Schüler-LITERATUR-Tage 2015 vor..