Für gewöhnlich bezeichnet man den
Oktober auch als den goldenen Monat – nicht unbedingt weil die
meisten Lottogewinne in diesen 31-tägigen Zeitraum fallen (aber
Moment, gibt es eine Statistik darüber, die es womöglich sogar
bestätigen würde?) - sondern wegen des abgebauten Chlorophylls in
den Blättern der Laubbäume und Sträucher, so dass nur das Gelb und
das Rot sich einige Zeit halten kann, bevor das „buntgefärbte“
Blatt sich vom Zweig löst und zur Erde segelt. Auch letzte
sonnenreiche, warme Herbsttage gibt es im Oktober, doch mit der Nacht
vom 31. Oktober zum 1. November treten wir ein in die Wochen der
Nebel, kalten Winde und sogar erster Schneefälle, die sich auf den
Wegen schnell zu grauem Matsch wandeln. Warum also fand am
vergangenen Sonntag die Führung zum Thema Baumbestand und besondere
Grabanlagen auf dem „Alten Friedhof“ Senftenberg statt?
Vielleicht, weil man die Linde anhand der noch sichtbaren Blätter
als Winterlinde erkennen und die Teerflecken auf den Ahornblättern
zeigen kann? Zwischen Esche und Sandstein, Platane und
Eichenlaubrelief, urinsäuregeschädigten Baumstämmen und
Marmoreinfassung, Sonnennekrosen und Bibelzitaten waren die 3 Stunden
Veranstaltungsdauer keineswegs zu lang angesetzt, was ich zuerst
wirklich dachte. Was verbindend an beiden Führungen war, sind die
Geschichten, die uns jeder Baum und jeder Grabstein erzählt. Manches
wird erst offenbar durch gründliche, aufwändige Recherche, durch
Fachwissen und Erfahrung. Wird man aus einem Alten Friedhof wirklich
einen Stadtpark machen können? Wie lange wird es dauern, bis niemand
mehr von der einstigen Nutzung des Areals etwas wissen wird? Wird es
in 50 oder 200 Jahren noch jemanden geben, der zu Namen recherchiert
oder Auskunft geben kann? Wird der Baum, der bereits im Plan,
erstellt vor 100 Jahren, verzeichnet ist, auch noch weitere
Jahre/Jahrzehnte stehen bleiben? In der Stadt, so der Fachmann geht
man von einer Lebensspanne von 60 Jahren aus, Grund ist auch die
zunehmende Versiegelung von Flächen, Bäume haben zu wenig
Platz.
Wir beginnen den Rundgang bei einer Esche. Im Keltischen
Baumhoroskop werden Charakteristika der Bäume, also z.B. von
Fraxinus excelsior den Menschen ebenfalls zugeschrieben, die in den
Zeiträumen 25. Mai bis 3. Juni oder 22. November bis 1. Dezember
geboren wurden. Sie sind zukunftsorientiert, idealistisch,
freiheitsliebend, anspruchsvoll, wissbegierig, lieben
Herausforderungen, sind neugierig und besitzen eine innere
Gelassenheit.
Tanne, Ulme, Zypresse, Pappel, Zeder, Kiefer,
Weide, Linde, Eiche, Olive, Haselnuss, Eberesche, Ahorn, Nussbaum,
Eibe, Kastanie, Esche, Hainbuche, Feige,
Birke, Apfelbaum, Buche sind weitere Bäume, die im Baumhoroskop
aufgeführt werden. Dabei klingt der Name „Keltisches Baumhoroskop“
wie ein alter Wissensschatz unserer Urururahnen. Tatsächlich wurde
es im Zuge des Neopaganismus' Ende der 1940-er Jahre vom
Schriftsteller Robert Graves entwickelt, aber es ist eine Tatsache,
dass Menschen seit Urzeiten eng mit der Natur verbunden sind. Ob nun
Sternenkunde, Heilkunde, Landwirtschaft, Wetterkunde, Gartenbau...
die Grundlage unseres Lebens ist die Natur, die uns umgibt, der
Rhythmus der Tag- und Nachtzeiten und der Jahreszeiten prägt unser
Verhalten und unser Befinden. Stell dir vor, du hast am 16. Dezember
Geburtstag, dann wärst du ein Feigenbaum – also Sensibel,
emotional, überempfindlich, unsicher, Angst in der Liebe verletzt zu
werden. Wie sieht es aus mit dem
11. August? Erkennst du dich als Pappel in: vernünftig,
weitsichtig, ordnungsliebend, unruhig, schwankend zwischen Extremen,
auch in der Liebe – wieder? Es
ist wie mit allen Horoskopen, es macht dir Vorschläge, es führt
dich auf Wege, die du selbst vielleicht nicht beschritten hättest,
konfrontiert dich möglicherweise doch mit dem ein oder anderen Zug,
den du gern an dir selbst leugnest. Aber es wäre doch schön, wenn
man, am 24. September geboren, an einer Haselnuss vorbeifährt und
weiß: das ist auch ein Teil von mir und ja, ich bin ehrgeizig,
charmant, gesellig, harmoniebedürftig, zuweilen launisch und
zärtlich in der Liebe. Und
vielleicht versteht man dann auch, warum man sich zu diesem einen
Baum hingezogen fühlt, warum man den Lindenduft so liebt oder sich
jedes Jahr für die leuchtend roten Früchte der Eibe begeistert,
warum man gerade in diesem Haus wohnt, vor dem eine Birke steht oder
über jede Kastanie in Entzücken gerät. Auf alten Friedhöfen sind
verschiedenste Baumarten zu entdecken und neben den verwitterten
Grabsteinen haben auch sie so viele Geschichten zu erzählen.
Yana
Arlt
Paul
Barsch
Der
alte Friedhof
Verfallener Friedhof, am einsamen Ort,
Nun
geht der Pflug bald über dich fort.
Noch hüllen mit traulichem
Dämmerschein
Die alten Linden dich friedlich ein.
Verwitterte
Steine nur ragen auf,
Wo die Hügel versanken im Zeitenlauf.
Und
alles umwuchert Gras und Strauch,
Und drüber weht des Vergessens
Hauch.
Ein einziges Grab ist an diesem Ort,
Drauf blühen
die Veilchen und Rosen noch fort.
Wenn Lenzluft weht um dieses
Grab,
Wankt her ein Mütterlein am Stab.
Sie trauert noch dem
Einen nach,
Der einst das junge Herz ihr brach.
Textquelle: aphorismen.de