Montag, 21. Juli 2025

Inspirieren lassen ~ Der Zug ist abgefahren

 

Ich freue mich! Sie hat zugesagt! Sie hat für das 13. Lausitzer Lyrikfestival zugesagt. Nur 1 Mal war sie bisher unser Gast, hat auf der von uns geschaffenen Bühne gestanden und ihre Texte vorgetragen. Ich recherchiere... es gibt seit dem Herbst 2023 einen neuen Lyrikband von ihr. Anruf bei der Buchhandlung meines Vertrauens: Ja, eine ISBN habe ich _ _ _ _ Genau. Ja, das ist es. Ja, ich weiß, dass es 18,50 Euro kostet. Ja, ich weiß, dass es ein schmaler Gedichtband ist. Aber immerhin ist es eine Zusammenstellung aus fünf Jahrzenhnten Leben und Werk. Fünf Jahrzehnte ringen um das richtige Wort, an der richtigen Stelle, keine Silbe zuviel. Sie hat zugesagt, die Dichterin, die vor 10 Jahren das erste und einzige Mal in Brieske beim Lausitzer Lyrikfestival war.
Dann die Nachricht, das Buch kann jetzt abgeholt werden... das Abholen verzögert sich... ich bin aber so unglaublich neugierig auf die Verse. Gut, dann ergibt sich eine Fahrt in die Stadt, zwei Tage später. Ich bin ein bisschen aufgeregt. Es ist ja nur ein Buch. Es sind ja nur Gedichte. Dies nicht meine Worte aber das Denken von diesem und jenem, soweit meine (Lebens)Erfahrung. Ich habe eine Verabredung Punkt 12 Uhr zum Mittagsläuten der Kirchenglocken am Markt. Ich kaufe mir im Café einen Kaffee zum Mitnehmen... nein, jetzt keine Debatten über den ökologischen Fußabdruck... ich taste mich durch das Marktgetümmel an diesem Samstag, lege mir gegen halb zwölf eine Decke auf die Stufen eines Hauseingangs, schlürfe Kaffee, blättere, lese und bin ergriffen. Poesie. Ja, das ist Poesie! Und sie wird im September nach Brieske kommen, die Dichterin. Und ich bin vorbereitet, habe mich belesen in ihrem neuen Lyrikband, der mit 2 Jahren ja immer noch NEU ist. Neue Verse zu alten Themen: Liebe, Lüge, Betrug, Egoismus, Unterdrückung, Tod... ein Gedankenaustausch mit toten Dichtern... Kleist... Droste... Rilke... Shakespeare. Ich werde diesen schmalen Band oft zur Hand nehmen, werde sogar Tränen auf die gedruckten Buchstaben fallen lassen, wenn ich abends im Sessel sitze, nach einem anstrengenden Tag mit viel zu lauter Musik und viel zu vielen, viel zu viel redenden, Menschen. Da klingt diese leise Poesie, die zuweilen die große Dramatik des Lebens in wenige Worte fasst, wie ein sommerlicher Nieselregen. Diese feinen Tröpfchen, die zuerst unbemerkt durch das Gewebe bis auf die Haut dringen.
Doch dann die Nachricht: ABSAGE der Teilnahme am Lausitzer Lyrikfestival. Es sind die öffentlichen Verkehrsmittel, auf die man angewiesen ist und die an Wochenenden, hier in den südlichsten Zipfel Brandenburgs keine verlässliche Verbindung schaffen können. Ich weiß noch nicht, wie mit dieser Nachricht umgehen. Der Kollege hat bereits geantwortet: „[...] Vielleicht ergibt sich zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit, sich wieder zu begegnen – das würde uns sehr freuen!“ Ich blättere in dem 75 Seiten starken Buch. Wie sie wohl selbst diese Verse intonieren würde? Hier auf der Lesebühne? Hier in der Gartenstadt Marga beim 13. Lausitzer Lyrikfestival? Ich bin momentan unfähig, mich auf einen „späteren Zeitpunkt“ einzulasssen.

Yana Arlt


Ringfrei

Ich bin keine Partnerin
für dein Selbstbehauptungstraining
In Gesprächen bin ich aus

auf Verständnis
nicht auf Belehrung

In Diskussionen gewönne ich gern

Erkenntnisse
keinen Zweikampf

Bleib nur du Sieger
Ich überlasse dir deinen Ring


Ingeborg Arlt
aus „Die Würde der Weichen“
edition offenes feld