Ich freue mich! Sie hat zugesagt! Sie
hat für das 13. Lausitzer Lyrikfestival zugesagt. Nur 1 Mal war sie
bisher unser Gast, hat auf der von uns geschaffenen Bühne gestanden
und ihre Texte vorgetragen. Ich recherchiere... es gibt seit dem
Herbst 2023 einen neuen Lyrikband von ihr. Anruf bei der Buchhandlung
meines Vertrauens: Ja, eine ISBN habe ich _ _ _ _ Genau. Ja, das ist
es. Ja, ich weiß, dass es 18,50 Euro kostet. Ja, ich weiß, dass es
ein schmaler Gedichtband ist. Aber immerhin ist es eine
Zusammenstellung aus fünf Jahrzenhnten Leben und Werk. Fünf
Jahrzehnte ringen um das richtige Wort, an der richtigen Stelle,
keine Silbe zuviel. Sie hat zugesagt, die Dichterin, die vor 10
Jahren das erste und einzige Mal in Brieske beim Lausitzer
Lyrikfestival war.
Dann die Nachricht, das Buch kann jetzt
abgeholt werden... das Abholen verzögert sich... ich bin aber so
unglaublich neugierig auf die Verse. Gut, dann ergibt sich eine Fahrt
in die Stadt, zwei Tage später. Ich bin ein bisschen aufgeregt. Es
ist ja nur ein Buch. Es sind ja nur Gedichte. Dies nicht meine Worte
aber das Denken von diesem und jenem, soweit meine (Lebens)Erfahrung.
Ich habe eine Verabredung Punkt 12 Uhr zum Mittagsläuten der
Kirchenglocken am Markt. Ich kaufe mir im Café
einen Kaffee zum Mitnehmen... nein, jetzt keine Debatten über den
ökologischen Fußabdruck... ich taste mich durch das Marktgetümmel
an diesem Samstag, lege mir gegen halb zwölf eine Decke auf die
Stufen eines Hauseingangs, schlürfe Kaffee, blättere, lese und bin
ergriffen. Poesie. Ja, das ist Poesie! Und sie wird im September nach
Brieske kommen, die Dichterin. Und ich bin vorbereitet, habe mich
belesen in ihrem neuen Lyrikband, der mit 2 Jahren ja immer noch NEU
ist. Neue Verse zu alten Themen: Liebe, Lüge, Betrug, Egoismus,
Unterdrückung, Tod... ein Gedankenaustausch mit toten Dichtern...
Kleist... Droste... Rilke... Shakespeare. Ich werde diesen schmalen
Band oft zur Hand nehmen, werde sogar Tränen auf die gedruckten
Buchstaben fallen lassen, wenn ich abends im Sessel sitze, nach einem
anstrengenden Tag mit viel zu lauter Musik und viel zu vielen, viel
zu viel redenden, Menschen. Da klingt diese leise Poesie, die
zuweilen die große Dramatik des Lebens in wenige Worte fasst, wie
ein sommerlicher Nieselregen. Diese feinen Tröpfchen, die zuerst
unbemerkt durch das Gewebe bis auf die Haut dringen.
Doch dann die
Nachricht: ABSAGE der Teilnahme am Lausitzer Lyrikfestival. Es sind
die öffentlichen Verkehrsmittel, auf die man angewiesen ist und die
an Wochenenden, hier in den südlichsten Zipfel Brandenburgs keine
verlässliche Verbindung schaffen können. Ich weiß noch nicht, wie
mit dieser Nachricht umgehen. Der Kollege hat bereits geantwortet:
„[...] Vielleicht ergibt sich zu einem späteren Zeitpunkt die
Möglichkeit, sich wieder zu begegnen – das würde uns sehr
freuen!“ Ich blättere in dem 75 Seiten starken Buch. Wie sie wohl
selbst diese Verse intonieren würde? Hier auf der Lesebühne? Hier
in der Gartenstadt Marga beim 13. Lausitzer Lyrikfestival? Ich bin
momentan unfähig, mich auf einen „späteren Zeitpunkt“
einzulasssen.
Yana Arlt
Ringfrei
Ich
bin keine Partnerin
für dein Selbstbehauptungstraining
In
Gesprächen bin ich aus
auf Verständnis
nicht auf
Belehrung
In Diskussionen gewönne ich
gern
Erkenntnisse
keinen Zweikampf
Bleib nur du
Sieger
Ich überlasse dir deinen Ring
Ingeborg
Arlt
aus „Die Würde der Weichen“
edition offenes feld