Montag, 27. Januar 2025

Inspirieren lassen ~ Künstlerinnen Verfolgt-Unvollendet-Ausradiert*

 

* „Verfolgt, unvollendet, ausradiert“ - Artikelüberschrift 30.09.2021 zur Ausstellung „Vergessene Bauhaus-Frauen“ im Bauhaus-Museum Weimar


27. JANUAR
Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus


HIER mehr erfahren über die Hintergründe zum Gedenktag


Friedl Dicker
1919–1923 Studierende am Bauhaus Weimar
1916 eröffnete der spätere Bauhausmeister Johannes Itten in Wien seine eigene Kunstschule. Bis 1919 studierte Friedl Dicker hier gemeinsam mit Anni Wottitz – einer Freundin, die sie 1917 in Wien kennenlernte und mit der sie Buchbindeaufträge ausführte. 1918 schloss Dicker an Ittens Schule Bekanntschaft mit Franz Singer, der zu diesem Zeitpunkt Architektur studierte. Als Johannes Itten 1919 seine Schule schloss und als Meister ans Bauhaus in Weimar zog, gingen auch Dicker, Wottitz und Singer sowie eine Vielzahl seiner „Jünger“ mit ihm.
Am Bauhaus fand Friedl Dicker Gleichgesinnte, die ihre kindliche Neugierde und ihre Fragen nach der Funktion der Dinge, teilten. Für das alltägliche Leben schuf Dicker mit ihren Freundinnen Anni Wottitz und Margit Téry-Adler Buchbinderarbeiten in der privaten Werkstatt von Otto Dorfner. Für einen Jahrmarkt in Weimar fertigte sie Marionetten, die von Kindern vor Staunen umringt, aber unverkäuflich waren. Mit diesem Jahrmarkt steigt die Nachfrage nach Textilien aus dem Bauhaus rapide an; Walter Gropius organisierte die Lieferung von Maschinen und Stoffen – die professionalisierte Produktion unter Leitung von Georg Muche konnte beginnen. Mit dabei war Friedl Dicker.
[…] Im Herbst 1944 wurden 5.000 Männer – darunter Pavel Brandeis – „zum Bau eines neuen Lagers“ abtransportiert. Auch dieses Mal bestand Friedl Brandeis darauf, bei ihrem Mann zu bleiben; sie ließ sich als Freiwillige auf die Liste des nächsten Transports setzen. Am 8. Oktober erreichte ihr Zug Auschwitz. Kurz vor ihrer Abreise packte Brandeis einen Koffer mit den Kinderzeichnungen; Willy Groag versteckte ihn auf dem Dachboden und brachte ihn im August 1945 nach Prag zur Jüdischen Gemeinde.
Pavel Brandeis überlebte das Konzentrationslager. Friedl Brandeis starb einen Tag nach ihrer Ankunft am 9. Oktober 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau.

Textquelle: https://bauhauskooperation.de/wissen/das-bauhaus/koepfe/biografien/biografie-detail/person-Dicker-Friedl-241



Otti Berger
(1898 – 1944) war eine der bedeutendsten Textilgestalter*innen des 20. Jahrhunderts. Geboren in Zmajevac, im damaligen ungarischen Königreich Kroatien, studierte sie von 1921 – 1926 in Zagreb, ab 1927 am Bauhaus in Dessau. Nach ihrer Lehrtätigkeit am Bauhaus machte sie sich 1932 in Berlin selbstständig und entwarf europaweit Stoffkollektionen für den modernen Innenraum. 1936 wurde sie als Jüdin mit Berufsverbot belegt, Fluchtversuche nach England und in die USA scheiterten. Sie wurde 1944 aus Kroatien nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Textquelle: https://www.hatjecantz.de/products/64980-otti-berger



Gertrud Kolmar
Gertrud Kolmar, geboren am 10.12.1894 in Berlin, war die Tochter eines jüdischen Rechtsanwaltes. Sie war als Erzieherin in einem Kindergarten tätig, lernte Russisch und absolvierte 1915/16 ein Seminar für Sprachlehrerinnen in Berlin mit einem Diplom für Englisch und Französisch. Zu dieser Zeit hatte sie eine Liebesbeziehung mit einem Offizier, die mit der Abtreibung des gemeinsamen Kindes und der Trennung endete. 1917 erschien ihr erster Gedichtband unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar.
[…] Ihr dritter Gedichtband „Die Frau und die Tiere“, der im August 1938 noch in einem jüdischen Verlag erscheinen durfte, wurde nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 eingestampft. Die Familie Chodziesner wurde im November 1938 zum Verkauf ihres Hauses in Finkenkrug und zum Umzug in eine Etagenwohnung in einem „Judenhaus“ in Berlin-Schöneberg gezwungen. Von Juli 1941 an musste Gertrud Kolmar Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. Ihr Vater wurde im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und starb dort im Februar 1943. Gertrud Kolmar wurde am 27. Februar 1943 im Verlauf der Fabrikaktion verhaftet und am 2. März 1943 im 32. sogenannten Osttransport des RSHA ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Von den etwa 1500 Berliner Juden, die in diesem Zug am 3. März 1943 in Auschwitz ankamen, wurden nach der Selektion an der 'Alten Rampe' 535 Männer und 145 Frauen als „arbeitsfähige“ Häftlinge registriert und in das Lager eingewiesen. Die übrigen etwa 820 Deportierten dieses Zuges, darunter Gertrud Kolmar, wurden nicht als Häftlinge registriert und vermutlich sofort nach der Ankunft in der Gaskammer ermordet. So ist der Tag ihres Todes nicht genauer zu bestimmen als anfang März 1943.

Textquelle: https://www.deutschelyrik.de/kolmar.html

 

 

zum Gedicht „Aus dem Dunkel




Paula Straus
(1894-1943) gehört zu den glücklichen Frauen ihrer Zeit, die einen künstlerischen Beruf professionell, an einer Fachschule (Schwäbisch Gmünd, Stuttgart) erlernen dürfen und mit ihren Werken Geld verdienen. 1921 wird sie Goldschmiedemeisterin – eine der wenigen Frauen, die das Meisterfach erreichen. Sie hat Glück, denn sie ist in der Königlichen Residenzstadt Stuttgart geboren, die damals das Zentrum des modernen Kunsthandwerks in Deutschland ist.
[…] Sie erwirbt ein kleines Häuschen auf der Schwäbische Alb und eines in Stuttgart. Aber wie viele ihrer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, wird sie 1933 erst gekündigt, dann enteignet, dann erhält sie Berufsverbot, und am Ende folgt der Transport und die Ermordung in Auschwitz.

Textquelle: https://www.stadtpalais-stuttgart.de/ausstellungen/paula-straus



Elfriede Lohse-Wächtler
(Dresden 1899–1940 Pirna) zählt zu den wichtigen künstlerischen Stimmen des frühen 20. Jahrhunderts. Ihre dynamische, von Empathie getragene Bildsprache ist in der Kunst der Neuen Sachlichkeit ohne Vergleich.
[…] Elfriede Lohse-Wächtlers Geschichte der Selbstermächtigung endet mit Zwangshospitalisierung und staatlich legitimierter Auslöschung: 1940 wird sie im Rahmen der nationalsozialistischen Krankenmorde (»Aktion T4«) getötet.

Textquelle: https://www.barlach-haus.de/ausstellung/elfriede-lohse-waechtler/



Selma Meerbaum-Eisinger
Selma Meerbaum-Eisinger wurde am 15.8.1924 als Tochter des Ladenbesitzers Max Meerbaum in Czernowitz geboren. Schon sehr früh las sie Gedichte von Heinrich Heine, Rainer Maria Rilke, Klabund, Paul Verlaine und Rabindranath Tagore, Dichter, deren Einfluss auf ihre eigene beklemmend reife Lyrik, zu der ihr in ihrem kurzen Leben die Zeit blieb, spürbar wird. Ab 1939 begann sie, eigene Gedichte zu schreiben und aus dem Französischen, Rumänischen und Jiddischen zu übersetzen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen im Juli 1941 wurde die Familie Eisinger gezwungen, im Ghetto der Stadt Czernowitz zu leben. 1942 wurde die Familie (wie Paul Celans Eltern und alle anderen Juden in Czernowitz) von den Rumänen in das rumänische Arbeitslager Michailowka in Transnistrien (Ukraine) deportiert. Dort starb Selma Meerbaum-Eisinger am 16.12.1942 an Flecktyphus.
Textquelle: https://www.deutschelyrik.de/meerbaum-eisinger.html